Aus dem Kieler Rat

Arbeitszwang und Sozialabbau

OB Gansel legte Haushaltsentwurf 2000 vor

Norbert Gansel ist glücklich. Der Haushaltsentwurf, den er Ende September vorlegte, enthält erstmalig keine Neuverschuldung. Im Gegenteil, ein Teil der Schulden kann gar abgetragen werden. Der OB und Kämmerer rechnet damit, dass Ende 2000 der Schuldenberg der Landeshauptstadt um 173 Mio. DM auf 746 Mio. geschrumpft sein wird.

Möglich wurde das durch den KWG-Verkauf - und wird daher auch nicht beliebig lang wiederholbar sein. Ab dem übernächsten Jahr sei wieder mit einem Anwachsen der Schulden, wenn auch einem langsameren, zu rechnen. Argumenten, der KWG-Verkauf bringe auf lange Sicht höhere Ausgaben beim Wohngeld, begegnet Gansel damit, dass das Unternehmen derzeit die Mieten senke. Weshalb das aber "ein Erfolg unseres Verkaufs" sein soll und die KWG diesen Schritt nicht auch schon unter städtischer Regie gemacht hat, blieb sein Geheimnis.

Allzu rosig wollte der OB die finanzielle Zukunft aber trotz des Verscherbelns des Familiensilbers nicht malen. Bei den Gewerbesteuern habe es im laufenden Jahr einen erheblichen Rückgang gegeben (1997: 218,2 Mio. DM, 1998: 266,9 Mio. DM, 1999: 190 Mio. DM). Ausgaben müssen also weiter gekürzt werden.

Wo? Natürlich beim Sozialen. Eine Turnhalle weniger, 20 Stellen bei der Stadt streichen, weniger Zuschüsse für das Frauennachttaxi und Schluss mit dem KVAG-Ticket für Sozialhilfeempfänger. Überhaupt die Sozialhilfe: Sozialhilfeempfänger müssten verstärkt zur Arbeit herangezogen werden. Das sei auch ein Beitrag gegen Schwarzarbeit. Der OB setzt voll auf Arbeitszwang und liegt damit ganz auf der Linie "moderner" sozialdemokratischer Politik. Wir wissen nicht, ob er das Schröder-Blair Papier gelesen hat, verinnerlicht hat er es allemal.

Das Wibera-Gutachten sei noch nicht in seinen Entwurf eingeflossen, aber man werde die Vorschläge durchgehen und dabei "nicht jeder selbst ernannten Lobby nachgeben können".

Nicht jeder, aber einigen schon, wie der Vermögenshaushalt zeigt: 580.000 DM Zuschuss für den Ausbau des Empfangsbereichs auf dem Flughafen Holtenau, 5,7 Mio. DM für den Straßenbau, 800.000 DM für die Ansiedlung von IKEA (wofür mal wieder Kleingärten dran glauben müssen), 2 Mio. DM für den Umbau des Neuen Rathauses (einschließlich Stadtgalerie, damit der Sophienhof sich ausbreiten kann) und des Bürgeramtes. Für letzteres wurden übrigens kürzlich Ledersessel zum Stückpreis von 3.000 DM angeschafft, die jetzt im Publikumsbereich stehen. Wir warten voll Spannung darauf, dass die ersten aufgeschlitzt oder bemalt werden und ein Aufschrei ob solchen Vandalismus' durch die Öffentlichkeit der Biedermänner geht.

Aber im Grunde sind das alles Peanuts, wie auch der Haushalt des OB. Dass das Geld in Kiel ganz wo anders zu finden ist, demonstrierte unlängst der Sophienhof: Rund 700 Mio. DM wollen private Investoren in dessen Ausbau stecken. Damit ließe sich die Stadt Kiel mal eben entschulden. Aber an dieses Geld hat OB Gansel natürlich nicht gedacht, als er die Umverteilung zugunsten der Banken geißelte. Eigentum ist (natürlich) heilig.

(wop)