Kommentar

Rückkehr zur Politik?

Die absolute Mehrheit der SPD im Kieler Rat ist denkbar knapp, nur eine Stimme gegenüber den 24 Stimmen der Opposition (CDU, Grüne, SUK). Erstmals hat nun eine SPD-Abgeordnete gewagt, die heilige Kuh der Fraktionsdisziplin zu schlachten. Im Kulturausschuss stimmte Ute Kohrs-Heimann mit der Opposition gegen die von OB Gansel präferierte kleine Lösung bei der Opernhaussanierung. Kurz zur Vorgeschichte: Das baulich marode Opernhaus bedarf dringend der Sanierung. Doch unter dem Selbstdiktat des Sparzwangs will die Mehrheit der SPD nur das Nötigste reparieren, während die Opposition lieber 10 Mio. DM teure Nägel mit Köpfen machen will.

Nicht nur in diesem Fall spricht die Vernunft dafür, statt für die kopf- und konzeptlose Politik der SPD, deren "Programm" sich allein auf Sparen um jeden Preis reduziert hat. Haushaltskonsolidierung steht bei der SPD auch in Kiel als oberstes Ziel, ideologisch unterfüttert mit dem demagogischen Argument, es sei "unsozial", Banken mit millionenschweren Zinsen zu füttern, die dem Haushalt ein für alle mal verloren gingen. Demagogisch ist dieses "Argument" deshalb, weil es verschweigt, dass die SPD zu dieser "Brechung der Zinsknechtschaft" jede soziale Grausamkeit (und kulturelle Doofheit) in Kauf nimmt und sich und die von ihrem Rotstift Betroffenen somit erst recht zum Sklaven des Haushaltsdefizits macht und dabei jeden Gestaltungsspielraum aufgibt.

Dass solche Verengung des Blickes aufs Sparen eher Pyrrhus-Siege erzeugt, denn wirkliche Haushaltskonsolidierung, zeigte u.a. der KWG-Verkauf. Hier hat sich die SPD blenden lassen vom momentanen Geldsegen in Höhe von 250 Mio. DM. Nicht bedacht hat sie die Folgekosten. So könnten bei der von Fachleuten vorhergesagten neuerlichen Verknappung auf dem sozialen Wohnungsmarkt weit höhere Kosten für Wohngeld auf die Stadt zukommen. Das hatten auch einige SPD-Abgeordnete kritisch angemerkt, aber die Fraktionsdisziplin hatte sie zum Stimmvieh für den Verkauf vergattert.

Mit Ute Kohrs-Heimanns Fingerzeig im Kulturausschuss könnte diese erstarrte Disziplin nun bröckeln, v.a. wenn Kohrs-Heimanns Courage für die Kultur auch bezüglich anderer Fragen in der Fraktion Schule macht. Und das wäre gut für eine Rückkehr der Politik in den Rat, der durch das Mehrheitsdiktat der SPD, das sie auch durch faule Geschäftsordnungstricks immer wieder zu wahren versuchte, mehr und mehr zu einem Akklamationsorgan für die Alleingänge des selbstherrlichen OB Gansel und seines willigen Gehilfen Jürgen Fenske (Fraktionsvorsitzender) verkommen ist. Für ihre Beschlüsse müsste sich die SPD dann wechselnde Mehrheiten suchen. Verhindern könnte dies, dass zwar die Haushaltskonsolidierung gelingt, aber an deren Ende nichts mehr zum politisch inhaltsvollen Gestalten übrig geblieben ist.

(jm)