Aus dem Kieler Rat

Straße frei!

Kieler Bauausschuss kippt die diskriminierende "Trinker-Satzung"

Ein Punker aus Elmshorn hat die Sache ins Rollen gebracht. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) klagte er erfolgreich gegen die sog. "Trinker-Satzung". Diese benutzten bislang Städte, um öffentliche Plätze "sauber", sprich von missliebigen "Elementen" frei zu halten. Nach der alten Satzung von 1994, die der Kieler Rat nach langen Auseinandersetzungen gegen die Stimmen der Grünen zusammen mit "begleitenden sozialen Maßnahmen" beschlossen hatte, konnte auch die Stadt Kiel Menschen Platzverweise erteilen, die gegen die "Sondernutzungserlaubnis" verstießen und - so das menschenverachtende Amtsdeutsch - "außerhalb zugelassener Freisitzanlagen und außerhalb von Freisitzanlagen im Zusammenhang mit zugelassenen Festen oder ähnlichen Veranstaltungen" Alkohol "in nicht geringen Mengen" zu sich nahmen. Ein Freibrief für zügellose Vertreibungen nicht ins Bild der schönen neuen Konsumwelt passender Menschen.

Im Juni hatte das OVG diesen Paragraphen kassiert, weil der öffentliche Alkoholgenuss "Bestandteil des kommunikativen Gemeingebrauchs von öffentlichen Straßen und Plätzen" sei und daher nicht verboten werden dürfe. Nun musste der Bauausschuss reagieren und entgegen der seinerzeitigen Beschwerden von Geschäftsleuten, Anliegern und Innenstadtpassanten über "Belästigungen durch Alkoholexzesse und Bettler" die Plätze wieder frei geben. Eine bloße Abmilderung des "Trinker-Paragraphen" komme nicht in Betracht, sagte Stadtbaurat Ronald Klein-Knott, weil dies erneute Normenkontrollverfahren herausfordern würde. Das Problem des Alkoholmissbrauchs könne nicht durch Straßen- und Wegerecht behoben werden.

Dies bekräftigten auch die Grünen: "Soziale Defizite sind nicht mit Ordnungsrecht zu heilen", sagte der grüne Ratsherr Klaus Görgner. Die CDU enthielt sich bei der Abstimmung im Bauausschuss. Zwar sei der "Trinker-Paragraph" wegen der OVG-Entscheidung nicht haltbar, aber dennoch entstehe nun ein "praktisch unbefriedigender Zustand", so der Fraktionschef Arne Wulff. Deshalb lassen die Law-and-Order-Apologeten aus der CDU nicht locker und suchen nach rechtlichen Schlupflöchern gegen sog. "Randständige". Der 175 des Landesverwaltungsgesetzes (Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit) soll nunmehr herhalten. Der Unterstützung der Einzelhändler kann sich die CDU dabei sicher sein, Peter Kettler, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord-Ost, begrüßte ihre Initiative.

Gegen die "Zumutungen für Geschäftsleute, andere Anlieger und die zum Einkauf kommenden Menschen", so CDU's ordnungspolitischer Scharfmacher Dietrich Huckriede, der aus seiner Zeit als Bundeswehroffizier weiß, wie man mit derlei Gesocks ein für alle Mal kurzen Prozess machen könnte, wenn man denn nur dürfte, fordert die CDU eine Verordnung des OB. Diese soll "Verhaltensweisen, die eine besondere Gefahr für schützenswerte Rechtsgüter darstellen", mit Bußgeld belegen und gewährleisten - man lasse sich die Formulierung auf der Zunge zergehen -, dass "in Fällen des Alkoholkonsums, des Drogenkonsums und des Bettelns die verwendeten Gegenstände eingezogen werden können". Mit den derart "eingezogenen verwendeten Gegenständen", so empfiehlt die LinX, können sich ja dann CDU-Abgeordnete und Einzelhandels-Hanseln einen netten Abend machen, der sie vielleicht wenigstens zeitweise taktisch vorübergehend von ihrem kleinbürgerlichen Ordnungswahn abbringen könnte.

(jm)