Herr, send' Hirn!

Vor Tau und Tag in einer Bäckerei müde an ein viel zu niedriges Resopaltischchen gelehnt eine Art Not-Frühstück - Mett-Brötchen, Zigarette, lauwarmer Kaffe - zu sich zu nehmen, entbehrt zwar nicht einer gewissen Tristesse, kann aber auch ganz neue Erkenntnisse bringen: Die BILD-Zeitung - offensichtlich bemüht, die Lücke zu schließen, die der Wegfall des täglichen Pin-up-Girls samt kruder Bildunterschrift gerissen hat - gibt sich plötzlich anti-national. "Wegen 10 mm - typisch ein Deutscher" wird getitelt. Angeprangert wird die deutsche Sekundärtugend Genauigkeit. In der Schusslinie: der Formel-I-Kontrolleur, der das Ferrari-Team zunächst auf Grund eines reglementwidrig zu großen Metallteils um den Sieg gebracht hatte.

So viel Libertinage leistet sich die BILD-Zeitung auch nur, wenn es um die beiden Säulenheiligen der deutschen Volksgemeinschaft in den Sparten Auto Fahren und Ficken geht. Um - wie in diesem Fall - Michael Schuhmacher oder aber um Dieter Bohlens Ex-Frau, von der ein Werbeplakat, das Flächen deckend alle deutschen Bushaltestellen ziert und mittlerweile offenbar den Status einer kollektiven Wichsvorlage bekommen hat und aller Orten von irgendeinem armen Würstchen geklaut wird. BILD - sonst immer sofort dabei, Schnellgerichte und Fußfesseln für kleine Ladendiebe zu fordern - hat für diesen Rechtsbruch vollstes Verständnis. (Die Bedeutung dieser beiden letzten Sätze geht zwar gen Null, sie sind aber als Verbeugung vor der Kieler Kneipenbedienung gedacht, die derlei in dieser Kolumne schmerzlichst vermisst.)

Zurück zum Frühstück in der Bäckerei. Auch interessant die Morgenpost, die mit der Headline "Außenminister Fischer gegen 15jährige Killermaschinen" aufmacht. Obwohl - interessant ist daran eigentlich nur die flappsige Schreibe. Dass Fischer gegen volljährige Maschinen, solange sie nur für deutsche Interessen killen, überhaupt nichts einzuwenden hat, ist ja doch schon länger bekannt.

Etwas völlig anderes: Einfach irre der Kapitalismus. Im Internet werden jetzt Ei-Zellen "hübscher Frauen" versteigert. Es sollte nicht verwundern, wenn die Zugangsadresse zu diesem Cyber-Lebensborn www.sloterdijk.com lauten würde.

Und etwas ganz anderes, aber Ernstes zum Schluss: Er ist - hoffentlich auch noch etwas länger - eine blöde Nervensäge und lieferte den Soundtrack für Rucki-Zucki-Partys in den 70ern und für den ekelhaften "Kult"-Kult der 90er. Vor einigen Tagen sprang er depressiv aus dem zweiten Stock und verletzte sich schwer. "Die verarschen mich nur", soll er über die "jungen Leute" (ZDF-Hitparadenmoderator Hübner) gesagt haben, die ihn in Bierzelten empfangen haben. "Auch wenn sein Auftritt eine Stunde dauern sollte, schrien sie schon nach einer Minute Hossa, Hossa!" (Hübner). Solche "jungen Leute" sind niemandem zu wünschen. Auch nicht Rex Gildo!

(cs)