KERNspalte

Kaum sind die Pläne der rot/grünen Bundesregierung ruchbar geworden, den schon längst abgeschriebenen Schacht-Konrad bei Salzgitter nun doch für die Endlagerung von hoch radioaktivem Müll zuzulassen, erscheint die PDS Braunschweig auf dem Plan und hält das Anti-AKW-Fähnlein hoch. In einer Presseerklärung wirft die Partei der Regierung Wahlbetrug vor und schreibt: "Jetzt scheint es so, als wenn in den Parlamenten nur noch unsere Partei für einen schnellen Atomaustieg eintritt. Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen, in und außerhalb der Parlamente, auf der Straße, auch als Teil des Bündnisses gegen Schacht Konrad in unserer Region." Wir erinnern uns: Es handelt sich um jene Partei, deren ostdeutsche Mitglieder sich aus den Erbauern von Bitterfeld, Rheinsberg, Greifswald, Morsleben, den Stümpern von Stendal, den Schiebern von Schönberg, den Volksgenossen der Wismut rekrutiert hat und noch rekrutiert. Bemerkenswert!

Immerhin brachte die Arbeitsgemeinschaft, in der die PDS nun mitarbeitet, am 10.10. nach eigenen Angaben ca. 2.000 Menschen (Polizeiangaben: 500) zu dem Motto "Gewitter in Salzgitter" gegen die Genehmigung des Endlagers auf die Beine. Auch 20 Landwirte mit Traktoren und Betriebsratsmitglieder der Salzgitter AG beteiligten sich an dem Protest.

Zum Unfall mit kritischer Masse in Japan hat sich noch jemand zu Wort gemeldet, das Deutsche Atomforum: Der Sache der friedlichen und sicheren Nutzung der Kernenergie sei durch diesen erneuten Vorfall weltweit ein erheblicher Vertrauensschaden zugefügt worden. Irgendeine Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse sei nach Einschätzung der Fachleute und beim Stand der deutschen Sicherheitskultur und Sicherheitspraxis auszuschließen. Die Brennelementewerke in Deutschland und in den USA seien "kritikalitätssicher" ausgelegt. Ein vergleichbarer Unfall könne weder bei einer Fehlbedienung noch durch äußere Einwirkungen ausgelöst werden. Apropos USA: Wie kommen dann die 33 Unfälle mit kritischer Masse seit 1945 in der führenden Industrienation zustande, doppelt so viele wie in der schlampigen Sowjetunion?

Noch dreister hat RWE-Chef Kuhnt die politische Situation nach dem Unfall genutzt. Er wiegelt nicht nur ab, sondern fordert eine Aussetzung der Konsensgespräche unter dem Eindruck von Tokaimura, da er seinen Verhandlungspartner unterstellt, sie würden die Besonnenheit in Bezug auf die friedliche Nutzung der Kernenergie verlieren. Stattdessen brachte er erneut die 35 Vollast-Jahre ins Gespräch und hielt den Zeitpunkt für angemessen, bei jeder Unterschreitung dieser Grenze mit Schadensersatzansprüchen zu drohen, denn die Verkürzung normaler Investitionszyklen sei Enteignung.

5 Tage nach dem Unfall in Japan hat die slowakische Regierung ungerührt die Inbetriebnahme des zweiten Reaktorblocks von Mochovce ausgerechnet zur Jahrtausendwende angekündigt. Das Atomkraftwerk vom sowjetischen Typ WWER mit 440 MW Leistung gilt als besonders unsicher, da es genau wie der benachbarte Block 1 über kein Containment verfügt, von dem Y2K-Bug ganz zu schweigen. Beim Hochfahren sind Reaktorkerne besonders anfällig für Fehlfunktionen, da sie überkritisch gefahren werden. Im unmittelbar benachbarten Österreich ist man empört über das Beladen mit Brennstäben. Als konsequenteste Atomkraftgegnerin versucht sich dort indes die rechtsradikale FPÖ von Jörg Haider zu präsentieren, deren Umweltsprecher Schweitzer dem sozialdemokratischen Bundespräsidenten Klima völliges Versagen auf der internationalen Bühne vorwarf. Doch auch die Grünen fordern sofortige Notverhandlungen mit der Slowakei, möglichst mit dem Ziel, nicht nur auf das Hochfahren dieses neuen Reaktors zu verzichten, sondern das Pannen-AKW Bohunice zusätzlich abzuschalten. Aufgrund der Wahlergebnisse vom Oktober wird eine Paralyse der österreichischen Außenpolitik aber immer wahrscheinlicher.

Gibt es nun doch keinen Castor-Transport von Biblis nach Ahaus? Der beantragte Abtransport abgebrannter Brennelemente von Biblis B kann nach Ansicht der rot-grünen Landesregierung in NRW, der Polizei und der Kraftwerksbetreiber vor der Landtagswahl im Mai 2000 nicht mehr organisiert werden. Auch wenn das stimmt, ist das noch kein Grund zu frohlocken, denn mit dem Wechsel von nur 14 BE (soviel Platz ist noch im Abklingbecken) könnte sich der Reaktor noch bis Ende 2000 mit 80% Leistung über Wasser halten. Die Betreiber dieses Kraftwerks beteiligten sich auch an einem Gespräch mit Umweltminister Jürgen Trittin am 25.10., zu dem weiterhin die Betreiber der AKWs Neckarwestheim, Philippsburg und Stade, Gutachter des TÜV, Vertreter der betroffenen Bundesländer und der Gesellschaft für Reaktorsicherheit geladen waren. Das BMU formulierte als Ziel dieser Erörterung, die Engpässe bei der Entsorgung durch vorübergehende Vorort-Lagerung zu beheben. Im Klartext: Das bündnisgrüne Ministerium für Umwelt und Naturschutz will ein betriebswirtschaftliches Problem der Atomwirtschaft beseitigen, das durch den Transportstop seiner CDU-Vorgängerin im Amt überhaupt erst entstanden ist (und also gar nicht entstanden wäre, wenn das BMU schon damals grün gewesen wäre, oder was?). Manche Branche wäre sicher froh, wenn sich eine derart starke Lobby immer wieder für ihren Fortbestand einsetzen würde, v.a. wenn ihr die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (in diesem Fall: der Strahlenschutzverordnung) nicht nur in der Vergangenheit nicht möglich war, sondern nach eigener Einschätzung auch in Zukunft nicht immer möglich sein wird. Das Ergebnis des Gesprächs lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Es gäbe Grund, auch in Kiel wieder aktiv zu werden und an jene Zeiten anzuknüpfen, als die Schleusentore in Holtenau blockiert wurden, um die Durchfahrt der "Borodine" mit Uranhexafluorid zu behindern. Am 12.10. nutzte der russische Frachter "MCL Trader" die ruhige Lage, um mit einer ebensolchen Ladung UF6-Fässer den Nordostseekanal zu durchqueren. Die 170 Tonnen radioaktiver Fracht stammen aus russischen Nuklearanlagen und sind zur Weiterverarbeitung in Deutschland und Europa bestimmt.

Der Kieler Geologe Prof. Duphorn stellte in Dannenberg das Ergebnis einer Untersuchung der östlichen Schächte des Salzstocks Gorleben vor, die vor 10 Jahren noch auf DDR-Gebiet lagen. Da in einem angelegten Messbrunnen auch Salzwasser gefunden wurde, was aus dem Salzstock an die Erdoberfläche gestiegen sein muss, gehen die Wissenschaftler nicht mehr davon aus, dass es ein geschlossenes Deckgebirge über dem Salzstock gibt. Den 1995 festgelegten Kriterien für die Endlagertauglichkeit wird Gorleben nachgewiesenermaßen nicht gerecht. Nicht in den Salzstock, aber ins benachbarte Zwischenlager sollen Glaskokillen von Atommüll aus La Hague gebracht werden, und zwar wegen der unpassierbaren Jeetzel-Brücke diesmal über Arendsee in Sachsen-Anhalt, wo es gar keinen Verladekran gibt. Das jedenfalls hat die GNS beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt. Außer dem Verladekran fehlt auch noch die Genehmigung. Der Castor-Widerstand hingegen wartet dort schon, flexibel wie in den Vorjahren, und zwar friedlich in Gestalt des BUND, kündigte Renate Backhaus in einer Presseerklärung an. Ob dann im Widerstand zusammenwächst, was immer noch nicht so richtig zusammengehört?

(BG)