Repression

Mumia Abu-Jamal:

Erneuter Hinrichtungstermin

Seit mehr als 17 Jahren sitzt Mumia Abu-Jamal in der Todeszelle. Am 13.10. wurde erneut ein Hinrichtungstermin festgesetzt. Dem schwarzen US-Bürgerrechtler und Jornalisten, der "Stimme der Stimmlosen", wird vorgeworfen, am 9.12.1981 einen weißen Polizisten erschossen zu haben, in einer Schießerei, bei der er selbst von Polizeikugeln schwer verletzt wurde. In einem rechtlich zweifelhaften Verfahren, das mit manipulierten und unter Druck gesetzten Zeugen und Geschworenen sowie unterdrücktem Entlastungsmaterial mehr einem Schauprozess gegen den ehemaligen Aktivisten der Black Panther Bewegung glich, denn einer rechtstaatlichen Gerichtsverhandlung, wurde Mumia 1982 von Richter Sabo (wegen seiner zahlreichen Todesurteile gegen Schwarze auch "Henker von Philadelphia" genannt) zum Tode verurteilt. 1995 wurde erstmals die Vollstreckung des Urteils anberaumt, und nur breite internationale Proteste konnten die US-Justiz damals vom Mord an Mumia abhalten. Seither bemüht sich Mumia vergeblich um eine Revision seines Verfahrens.
Sein bisher letztes Gesuch wurde am 4.10. vom obersten Gerichtshof in Washington abgelehnt. Mumias Anwalt Len Weinglass hatte den Supreme Court angerufen, um klären zu lassen, ob es verfassungsgerecht sei, dass Mumia im Prozess von 1982 verwehrt wurde, sich selbst zu verteidigen. Der Supreme Court lehnte zwar die Verfassungsbeschwerde ab, betonte jedoch ausdrücklich, dass diese Ablehnung kein Urteil über die Berechtigung eines Revisionsverfahrens bedeute. Dennoch hat der Gouverneur von Pennsylvania, Thomas Ridge, dieses Urteil zum Anlass genommen, einen neuen Hinrichtungstermin festzusetzen, den 2. Dezember. Für Mumia bedeutet dies nicht nur eine erneute akute Bedrohung seines Lebens, er ist mit der Bekanntgabe des Termins auch in die sog. "Phase 2" eingetreten, sprich er befindet sich in Isolationshaft bei Entzug aller persönlichen Dinge.

Das juristische Procedere

Mumias Anwälte reagierten mit einer Petition für eine Wiederaufahme des Verfahrens an das Bundesdestriktgericht. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass der Hinrichtungstermin bis zur Entscheidung über diese Petition ausgesetzt, jedoch nicht aufgehoben wird.

Gemäß dem "Habeas corpus"-Grundsatz, wonach eine Einwendung eines Angeklagten stets verhandelt werden muss, wird ein Richter des Bundesdistriktgerichtes u.U. eine neue Anhörung anberaumen. Bevor der "Effective Death Penalty Act" (EDPA) 1996 verabschiedet wurde, wurden mit Mumias Petitionen nur Richter aus dem Staat Pennsylvania betraut, die unter dem Einfluss des Richters Sabo und der rassistischen Polizistenorganisation "Fraternal Order of Police" stehen. Richter Sabo selbst hat Anträge der Verteidigung stets abgelehnt, z.B. Zeugen neu zu vernehmen, bzw. neue Zeugen zuzulassen. Eine Anhörung vor der nächst höheren Instanz, dem Bundesdistriktgericht, ist also Mumias erste Chance, dass neue Beweise und Zeugen zugelassen werden, die ihn entlasten und die das pennsylvanische Gerichtssystem bisher zurückgewiesen hat. Es ist aber auch seine letzte Chance, denn Instanzen über dem Bundesdestriktgericht werden lediglich anhand von Protokollen die Entscheidungen der untergeordneten Gerichte überprüfen. Das kann allerdings auch schon beim Bundesdistriktgericht passieren. Der dortige Richter ist nicht verpflichtet, Mumia erneut zu hören, auch er kann nach Aktenlage über die Petition entscheiden.

Zwar bedeutet der EDPA durch die Einbeziehung einer höheren Instanz bei Revisionsverfahren von Todesurteilen etwas mehr Rechtssicherheit, jedoch wurde die Möglichkeit, nach Aktenlage zu entscheiden, auch bewusst eingeführt, um Revisionsverfahren zu Ungunsten der Todeskandidaten abzukürzen, d.h. Urteilen auf Bundesstaatsebene endgültigen Status zu verleihen. Der EDPA ist somit Teil einer Kampagne von Todesstrafenbefürwortern, die Urteile schneller vollstreckt wissen wollen. Seit die Todesstrafe 1976 in den meisten US-Staaten wieder eingeführt wurde, sind über 500 Menschen durch den staatlichen Mord ums Leben gekommen. Über 3.300 Häftlinge, darunter auch Jugendliche und geistig Behinderte, sitzen derzeit in Todestrakten und warten auf ihre Hinrichtung. Oft liegen Jahre zwischen Todesurteil und Vollstreckung, was die Delinquenten zusätzlich psychischer und physischer Folter aussetzt. Mumia Abu-Jamals nicht rechtsstaatliches Verfahren ist dabei kein Einzelfall, sondern gerade bei Todesurteilen eher die Regel. Die Rachejustiz ist nur selten gewillt, Verfahren, bei denen es begründete Zweifel an der Schuld der Angeklagten gibt, wieder aufzunehmen, ein Indiz dafür, dass es hier eher um den Rachedurst von Eiferern geht. Gerade vor diesem Hintergrund ist eine lautstarke öffentliche Kampagne für eine Anhörung Mumias nicht nur nach Aktenlage erforderlich.

Sollte das Bundesdistriktgericht Mumias Petition ablehnen, werden Mumias Anwälte bei der nächst höheren Instanz, dem "Third Circuit Court of Appeals", Berufung einlegen. Umgekehrt wird bei einer für Mumia positiven Entscheidung der Staat Pennsylvania dieses Gericht anrufen. Insofern wird es in jedem Fall zwei neue Runden vor Gerichten geben, die aber wesentlich schneller durchlaufen werden als Verfahren auf Bundesebene. Daher ist Mumias Leben akut in Gefahr.

Vor allem in den USA fanden inzwischen zahlreiche Demonstrationen und Protestveranstaltungen gegen den Hinrichtungsbefehl statt. In Hamburg wurde am 16. und 20.10. demonstriert. Weitere Demonstrationen finden am 30.10. in Berlin (12 Uhr, Breitscheidplatz) und am 13.11. in Kaiserslautern (12 Uhr, Stiftskirche) statt. Infos zu Aktionen und zum aktuellen Stand gibt es unter den Internet-Adressen www.mumia.org, www.peoplescampaign.org und www.iacenter.org sowie beim Solidaritätsbündnis FREE MUMIA ABU-JAMAL (c/o B5, Brigittenstr. 5, 20359 Hamburg, Tel. 040/431894-63, Fax -62). Spenden für Mumias Anwälte unter dem Stichwort FREE MUMIA ABU-JAMAL bitte auf das Konto Dr. H.J. Schneider, Kto. 1045798319 bei der HaSpa, BLZ 20050550. Protestfaxe können folgende Faxgeräte zum Überlaufen bringen: Governor Thomas Ridge, 001-717-7728284, President William J. Clinton, 001-202-4562461.

(jm - nach Meldungen aus dem Internet)