Anti-AKW

Herbstkonferenz der Anti-AKW-Bewegung beschließt:

Aktionen für den Sofortausstieg

Statt Aktionismus waren mal wieder Diskussion und Arbeitsgruppe angesagt. Am Wochenende 22.-24.10. trafen sich über 170 AtomgegnerInnen im Dannenberger Gymnasium zur Herbstkonferenz in einer schwierigen Situation. Während in Meinungsumfragen der Eindruck lanciert wird, es gebe "immer weniger Atomkraftgegner", vollzieht sich in den Umweltverbänden ein Abnabelungsprozess von den Grünen, dessen letzte Nachwehen sich immer noch in den Arbeitsgruppen zeigten, was nicht nur an den Themen lag, sondern auch daran, dass einige Teilnehmer diese Partei erst vor ganz Kurzem oder überhaupt noch nicht verlassen haben. Sei es nun die Beteiligung an Angriffskriegen der NATO, die Rücknahme "deutschen" Atommülls aus Frankreich, Transportstopp, Zwischenlagerung, Konsensverhandlungen - hin und wieder flackerte die Unsicherheit auf, ob man sich nicht doch in einer kollektiven Verantwortlichkeit für die Politik dieser Regierung befand. Wer damit schon durch war, den plagte aber immer noch die persönliche Enttäuschung über denjenigen Teil der Grünen, der ihm/ihr persönlich bekannt war, und der Rest konnte zumindest von massiven Spaltungsprozessen berichten, die die Zahl der Aktiven mancherorts zeitweise drastisch reduziert hatte. Auf der anderen Seite waren da die eindeutigen Stellungnahmen der Umweltverbände NABU, BUND, BBU, IPPNW, Greenpeace, Robin Wood und DNR, die jedes Vertrauen in grüne Politik verloren haben und die Partei als "überflüssig" bezeichnen.

Zu Beginn wurden die Teilnehmer von Gästen aus dem Ausland begrüßt, die über die Lage in ihrer Heimat berichteten: aus Frankreich (La Hague), England (Sellafield), Österreich und der Ukraine. Schon hier wurde überdeutlich, dass die internationale Verflechtung (über Atommüll, Brennelemente, AKW-Finanzierung und -Neubau, Katastrophenschutz oder Stromlieferung) der Atomindustrie keinen nationalen Alleingang der Atomgegner erlaubt.

Aktionsorientiert und wenig kontrovers ging's in der Arbeitsgruppe "Nächster Castortransport" zu. Die Ahauser berichteten selbstkritisch, was sie diesmal besser machen wollten. Die Wendländer hatten mal wieder handfeste Vorstellungen, was bei ihnen laufen sollte, wenn sie denn das Ziel eines Glaskokillentransportes sein sollten. Aber es wurde auch viel über Angriffe auf die Startpunkte der Transporte und Behinderungen auf der ganzen (Bahn-) Strecke gesprochen. Zur Untermauerung wurde in einer Pause in der Dannenberger Innenstadt die "Goldene Hakenkralle" enthüllt, ein 4 Meter hohes Denkmal für den klandestinen Widerstand und ein Zeichen der Solidarität mit den kriminalisierten und (am 6.7.99) hausdurchsuchten GenossInnen aus Bremen, Berlin u.a. Städten, die jetzt unter dem Logo "Interregio" firmieren. Spekuliert wurde über die möglichen Transportrouten: WAA La Hague - Arendsee - Gorleben, oder doch La Hague - Dannenberg - Gorleben mit Umladen durch mobilen Verladekran zwischen Dahlenburg und der Jeetzelbrücke, oder Stade - Ahaus, Biblis - Ahaus, Neckarwestheim - Ahaus, oder vielleicht sogar Rheinsberg - Greifswald? Und sollte man diesen Transport überhaupt behindern, denn Rheinsberg ist schon stillgelegt? Auf jeden Fall will man sich auch der Anlieferung der leeren Behälter widmen.

Ein Leitthema dieser Konferenz war "Castor - Grenze - Nation". Auch hier ging's um die Verantwortlichkeit. Wieso spielt die deutsch-französische Grenze plötzlich wieder eine Rolle, wenn es um die Rücknahme des Atommülls geht? Ist Fischers Müll eigentlich "unser" Müll, oder gibt es einen deutsch-französischen Gesamtmüllhaufen, für den Grenzen keine Rolle spielen? Hauptsächlich ging es dieser Arbeitsgruppe wohl darum, den Nationalismus-Vorwurf zu entkräften, wenn man die Glaskokillenbehälter an der saarländisch-französischen Grenze blockiert nach dem Motto "Wi wullt den Schiet nich hebben". Ob das gelungen ist, wird sich wohl erst an der zukünftigen Kampagne zeigen. Deren geistiger Hintergrund wird wohl schwerer zu erarbeiten sein als die konkrete Aktion, die den Transport zum Stehen zwingen soll. Etwas nebulös erschien z.B., was die Abschaffung des Asylrechts mit den grenzüberschreitenden WAA-Transporten zu hat. Könnte es sein, dass dieses Thema von wohlmeinenden Menschen unter allerlei intellektuellen Verrenkungen hier immer wieder eingestreut wird, um zu versichern, dass sie (wir) auf der richtigen Seite stehen?

Desweiteren beschäftigten sich Arbeitsgruppen mit Ausstiegsgründen und -hemmnissen - der Bezug auf die Grünen war dabei kaum zu vermeiden -, dem Nicht-Verhalten der Anti-AKW-Bewegung zum NATO-Angriffskrieg auf Jugoslawien, den Standort-Zwischenlagern, dann einem alten Hut in neuem Gewand: "Anti-Atom als Teil emanzipatorischen Widerstands" sowie Anti-Repression.

Das Resümee der Bundeskonferenz lautete denn auch: "In mehr als einem Jahr hat die Bundesregierung keinen einzigen Schritt in Richtung Atomausstieg getan. Stattdessen wurde ein Angriffskrieg gegen Jugoslawien geführt." Wichtigstes Datum in diesem Jahr wird der 13.11. An diesem Tag wird die "Stunkparade" der wendländischen "Bäuerlichen Notgemeinschaft" in Berlin eintreffen, und dort wird es eine bundesweite Demonstration für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen geben. "Nicht Kanzler und Regierung sind Garanten des Atomausstiegs", so die Konferenz, "sondern nur, wenn sich genügend Menschen selbst einmischen, kann es zu einer Änderung der Atompolitik kommen".

(BG)