Ökologie

Klima-Konferenz:

Verhandlungen im Schneckentempo

An eindringlichen Appellen hat es auch diesmal nicht gefehlt, als Vertreter aus 166 Staaten einmal mehr zur Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention zusammenkamen. Vertreter der Pazfikstaaten nutzten die am vergangenen Wochenende in Bonn zu Ende gegangene Konferenz, um von den bereits sichtbaren Folgen des globalen Klimawandels zu berichten. Von absterbenden Korallenriffen war da die Rede, die den Atollen den Wellenschutz nehmen und den Fischern Einkommen und Nahrung, vom steigenden Meeresspiegel, der beginnt, das Grundwasser der niedrigeren Inseln zu versalzen, von häufigeren Unwettern und Dürren und von der Ausbreitung der Malaria. Das Jahr 1998 war das wärmste des ausgehenden Jahrtausends und das 20te Jahr in Folge, das über dem Durchschnitt lag.

Erwärmung der Atmosphäre durch CO2 - 1998 war das wärmste je gemessene Jahr

Doch von der Dringlichkeit der Situation war in Bonn wenig zu spüren. "Ich frage mich manchmal, ob es bei diesen Verhandlungen wirklich noch darum geht, Menschenleben zu retten, oder mehr um das Wohlergehen der Geschäftsleute in den Industriestaaten", zog Russel Nari von Vanuatu resignierend Bilanz. In der Tat: Von der existenziellen Bedrohung ganzer Staaten und von Hilfe oder gar Entschädigung für die Opfer des jüngsten tropischen Orkans in Indien war wenig die Rede. Stattdessen davon, wie sich Industriestaaten am elegantesten von ihrer Verantwortung freikaufen können, indem sie andernorts Energiesparmassnahmen finanzieren oder auch anderen Staaten nicht genutzte Emissionsrechte abkaufen.

Seit nunmehr zehn Jahren wird verhandelt. 1992 wurde in Rio die Klimarahmenkonvention verabschiedet, die inzwischen in Kraft getreten ist. Nach der hätten die Industriestaaten bis zum Jahre 2000 ihre Treibhausgas-Emissionen auf dem Niveau von 1990 stabilisieren sollen. Doch die wenigsten werden dieses Ziel erreichen. Ob in Österreich, Australien oder den USA, in den meisten Staaten steigt der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, weiter an. Einzig Osteuropa verzeichnet seit 1990 einen erheblichen Rückgang, jedoch kaum aufgrund effizienteren Einsatzes der fossilen Brennstoffe, die die Hauptquelle des CO2 sind, sondern aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs. Auch die scheinbar gute deutsche Bilanz, mit der sich die neue wie einst die alte Bundesregierung gerne brüstet, geht zum größeren Teil auf den rapiden Rückgang der Industrieproduktion in den neuen Bundesländern zurück.

Entsprechend frustriert ist man v.a. bei den kleinen Inselstaaten. "Wir sind sehr besorgt über den scheinbaren Mangel an Engagement bei den Industriestaaten, deren historische und gegenwärtige Emissionen die Wurzel des Problems sind", machte Redley Killion, Vizepräsident der Mikronesischen Bundesstaaten, seinem Ärger Luft.

Doch genützt hat auch das nicht viel. Zwar liegen seit 1997 mit dem Kyoto-Protokoll nun erstmals unstrittig verbindliche Verpflichtungen für den reichen Norden vor, doch streitet man sich weiter über die Ausführung der Bestimmungen. Solange die nicht klar sind, wollen die meisten Industriestaaten nicht ratifizieren. Auch die EU nicht.

Weiter offen blieb in Bonn, ob es eine Obergrenze für den Handel mit Emissionsrechten geben wird, wie es nicht nur die EU, sondern auch die in der G77 zusammengeschlossenen Länder des Südens fordern. Die US-Delegation blieb in dieser Frage bis zuletzt hart: Begrenzungen würden nur die Marktkräfte behindern und die seien am besten geeignet, das Problem zu lösen. Ungeklärt ist auch nach wie vor, was bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen geschieht. Während z.B. das internationale Handelsabkommen der WTO einen umfassenden Sanktionsapparat mit Schiedsstelle kennt, ist die Kliamkonvention wie die meisten internationalen Umweltabkommen vollkommen zahnlos.

Immerhin einigte man sich in Bonn auf eine straffere Verhandlungsführung. Dass die eigentlichen Entscheidungen erst auf der nächsten Konferenz in Den Haag fallen würden, war bereits im Vorfeld klar gewesen, doch legte man diese mit November 2000 so zeitig wie möglich fest. Auch wurde der Präsident der Vertragsstaatenkonferenz, der polnische Politiker Jan Szyszko, beauftragt, die Verhandlungen bis dahin mit Nachdruck voranzutreiben und zwei Vorbereitungstreffen einzuberufen.

Ein wesentlicher, in Europa wenig diskutierter Aspekt der Klimaproblematik wurde auch in Bonn von den reichen Ländern wieder geflissentlich übersehen: Die Frage der Gleichheit. Geht man davon aus, dass etwa die Hälfte der CO2-Emissionen in der Atmosphäre verbleiben und somit zum Treibhauseffekt beitragen, dann sind etwa 2 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr für das Klimasystem verträglich, da sie von Biosphäre und Ozeanen aufgenommen werden. Alles was darüber hinaus geht, trägt zur Erwärmung bei. Während in China als einem der wenigen Entwicklungsländer gerade die verträgliche Grenze überschritten wurde und in Indien der Pro-Kopf-Ausstoß noch unter einer Tonne liegt, leben Staaten wie Deutschland (11 Tonnen) oder gar die USA (20 Tonnen) weit über ihre Verhältnisse. Doch während die Entwicklungsländer immer wieder Wert auf die Feststellung dieser Tatsachen legen und u.a. auch deshalb dem Emissionshandel unter Industriestaaten skeptisch gegenüber stehen, meinen einige Regierungen aus dem Norden, die Länder des Südens zu Beschränkungen ihrer Emissionen drängen zu müssen. Vor allem die USA beharrt darauf, dass sie das Kyoto-Protokoll nicht unterschreiben kann, solange nicht auch von diesen "bedeutungsvolle Verpflichtungen" eingegangen werden. Auffälliger Weise bedient sich auch die neue Bundesregierung in letzter Zeit einer entsprechenden Rhetorik. China hat diese Vorstöße in Bonn ausdrücklich als schweres Verhandlungshindernis zurückgewiesen. Nichtregierungsorganisationen aus dem Süden teilen die Sichtweise ihrer Regierungen, oder haben sie sogar, wie im Falle Indiens, erst dazu gebracht. Gleichzeitig kritisieren sie Umweltgruppen aus den Norden dafür, dass sie die Frage der globalen Gerechtigkeit weitgehend vernachlässigen. Tatsächlich war in Bonn beim deutschen Forum für Umwelt und Entwicklung und anderen dazu nur zu hören, dass es im Augenblick nicht durchsetzbar sei. Schlechte Aussichten also, dass unter diesen Voraussetzungen bis zum nächsten Jahr in den reichen Ländern der nötige politische Druck aufgebaut werden kann, damit es beim internationalen Klimaschutz endlich vorangeht.

(wop)

Die wichtigsten Treibhausgase

Kohlendioxid - CO2: Anteil am Treibhauseffekt ca. 50%. Entsteht bei der Verbrennung von Holz, Kohle, Erdgas und Erdölprodukten sowie bei der Herstellung von Zement. Wichtigste Quellen in Deutschland: Heizen, Industrie, Stromproduktion, Verkehr.

Methan - CH4: Anteil am menschlichen Treibhauseffekt ca. 15%. Quellen: Mülldeponien, Reisfelder, Lecks in Erdgasleitungen und in Öl-Förderanlagen. Könnte bei Erwärmung in der Arktis in größeren Mengen freigesetzt werden, wenn Permafrostböden auftauen und zu Sümpfen werden.

Verschiedene FCKW: Vor allem als Zerstörer der Ozonschicht bekannt, tragen jedoch auch mit ca. 17% zum Treibhauseffekt bei. Industriell hergestellt, Produktion läuft aber nach internationalen Abkommen aus. Einige der Ersatzstoffe sind allerding noch schlimmere Treibhausgase als ihre Vorgänger.

Einige weitere von Menschen erzeugte Gase tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei, etwa das bodennahe Ozon, das v.a. durch den Autoverkehr entsteht, und auch das Lachgas.

CO2-Emissionen 1990 im Ländervergleich

Land

Mio. t pro Jahr

t pro Kopf und Jahr

USA

5040

20,0

Russland

2.360

16,0

Kanada

440

16,0

Australien

270

15,0

Niederlande

180

12,0

Deutschland

990

12,0

Großbritanien

600

10,0

Japan

1060

8,5

Frankreich

380

6,6

Mexiko

320

3,6

Iran

210

3,4

China

2.320

2,0

Brasilien

220

1,4

Indien

610

0,7

Welt (1992)

22.400

4,1

 

CO2-Emissionen der alten und neuen Bundesländer im Vergleich

(Mio. t)

Jahr

Ost

West

Gesamt

1975

296

714

1.010

1980

310

781

1.091

1985

341

720

1.061

1987

344

729

1.073

1988

340

714

1.054

1989

333

704

1.037

1990

298

686

984

1991

218

705

923

1992

190

739

929

1993

177

726

903