Kultur

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Die "Neue Mitte" feiert, bis es kracht

Berlin ist ein Symbol. Berlin steht für das neue Deutschland, für den frischen Wind der neuen Mitte. Berlin steht für ein unverkrampftes Verhältnis zur nationalen Vergangenheit, für den ersten Angriffskrieg seit Hitler. Berlin steht für die Überwindung der politischen Gegensätze in der wiedervereinten Stadt.

Berlin feiert den Jahrtausendwechsel. Dieser Wechsel soll das Ende aller sozialistischen Versuche symbolisieren, den Abschluss des "kurzen 20. Jahrhunderts" zwischen 1918 und 1989. Gefeiert wird in Berlin eine Zukunft, in der es keine anderen Systemalternativen geben darf als Nation und Kapital.

Zum Millenium trifft sich die gesellschaftliche Elite in der neuen Hauptstadt Berlin. Das Adlon-Hotel ist für den 31.12.1999 bereits seit Jahren ausgebucht. Für die Feierlichkeiten der Bonzen wird ein großer Teil des historischen Berlins abgesperrt. Die private Veranstalterin, die "Sylvester in Berlin GmbH", kurz "sib", will neben dem Pariser Platz auch die gesamte Prachtallee "Unter den Linden", die Flächen um den Fernsehturm, die Friedrichstraße, den Gendarmenmarkt, die Oranienburger Straße, die Straße des 17. Juni bis hin zur Siegesäule sowie den Platz der Republik vor dem Reichstag zum privaten Feiergelände erklären.

Berlin erwacht zu neuer Größe

Nur geladene Gäste und solche, die gnädigerweise eine Eintrittserlaubnis bekommen, haben Zutritt. Geschützt wird das Gelände von privaten Wachschützern, um die überschüssige Bevölkerung aus dem Areal der Feierlichkeiten fernzuhalten. Letztes Jahr haben sich rund 400.000 Menschen auf den Weg zum Brandenburger Tor gemacht, nur die Genehmen kamen bis zum Pariser Platz durch. Die Bonzen im Hotel Adlon schirmten sich zusätzlich gegen den Pöbel durch eine "Champagnerbar" ab. In Folge dieser Konstellation kam es wiederholt zu Massenschlägereien. Daraufhin gab es lokalpolitische Auseinandersetzungen darüber, dass ein gutverdienender BWL-Jungstar (Edwin Kausch mit seiner "sib GmbH") die Innenstadt mit einer privaten Veranstaltung kommerzialisiert. Die Stadt Berlin unterstützt ihn dabei aktiv. Zur Jahrtausendfeier wollen die Repräsentanten der neuen Berliner Republik zeigen, wie die Zukunft aussieht. Die Deutschen sind das glücklichste Volk der Welt, die anderen sind anderswo und sollen da auch bleiben.

Kommt alle zum Bleigießen!

Wir als radikale Linke werden das geplante Spektakel gebührend beantworten. Es gilt, an diesem Tag vor den Augen der versammelten Weltpresse ein unübersehbares Signal gegen die Festtagslogik zu setzen. Ein Signal gegen Führung, Elite und Großmachttaumel der "Berliner Republik". Wir werden uns nicht in zugewiesene Areale zurückziehen, sondern die Neue Mitte mit unserem Widerstand konfrontieren. Geplant sind bisher eine Großdemonstration am frühen Abend und ein "Fest der Ausgegrenzten". Für weitere Details achtet auf aktuelle Ankündigungen.

GEGEN GROSSMACHTTAUMEL UND AUSGRENZUNG!

31.12.1999: Die Neue Mitte feiert. Wir sind der Partyservice! Kommt alle!