Ratssplitter

Die Grünen wollen die "maritime Wirtschaft stützen". Holla, denkt man zunächst, also doch die neue F.D.P. im ökologischen Mäntelchen. Doch was sich hinter dem Antrag in der Ratsversammlung vom 18.11. verbrigt, ist etwas anderes, der Antragstitel sollte bloß deutlich machen, dass sich die Grünen mit ihrer Ablehnung der festen Fehmarn-Belt-Querung nicht als Wirtschaftsfeinde sehen. Im Gegenteil: "Fast 90% des Lastverkehrs in S.-H. bestehen aus Transitgütern", wusste der Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann. Insofern werde eine feste Belt-Querung lediglich mehr Transit und damit mehr Umweltbelastungen bringen, nicht aber wirtschaftliche Vorteile für die strukturschwache Region. Vielmehr sei eine Schwächung etwa des Kieler Hafens zu erwarten. Die positiven Gutachten zur Belt-Querung, kritisierte Oschmann, argumentierten mit Zeitgewinnen von gerade mal 40 Minuten. Wirtschaftlich sei die Querung überhaupt nur, wenn man Maud-Gebühren annehme, die um 30-70% über den Fährgebühren lägen. Zwar seien, so Oschmann weiter, auch die Grünen "an schnellen Verbindungen interessiert", jedoch genüge dafür eine bessere Auslastung der bisherigen Transportkapazitäten, etwa des NO-Kanals, der schon heute eine Wertschöpfung von 250 Mio. DM p.a. bringe. Ratsherr Jens Moriz (CDU) sah im grünen Resolutionsantrag gegen die Fehmarn-Belt-Querung die grundsätzliche Gegnerschaft der Grünen gegen solche Projekte: "Wenn irgendwo eine Straße gebaut wird, sind Sie dagegen!" Im übrigen gebe es Gutachten, die zeigten, dass es für den Kieler Hafen keine Beeinträchtigungen geben werde. Für Puttgarden vielleicht, aber darüber müsse man sich ja "in Kiel keinen Kopf machen". CDU-Fraktionschef Arne Wulff setzte nach, der grüne Antrag sei Heuchelei. Denn mit dem Argument, die Querung schwäche den Kieler Hafen, müssten die Grünen dann ja auch für den Ausbau des Ostuferhafens sein. Oschmann bekräftigte daraufhin, die Grünen seien ja auch dafür, allerdings in der kleinen Lösung von 8 statt 11 ha. Dann aber, so warf der SPD-Ratsherr Finger ein, lohne sich der Ausbau nicht. Andererseits folgte er den Grünen in ihren Befürchtungen für Umschlagseinbußen im Kieler Hafen im Falle der Realisierung der Belt-Querung. Der grüne Antrag wurde in den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Ein Freund der "maritimen Wirschaft" ist auch OB Gansel, ein noch größerer freilich des Militärs und der Marine. So widersprach Gansel einem Dringlichkeitsantrag der CDU, in dem gefordert wurde, die durch die Verkleinerung des Marinestützpunktes demnächst frei werdenden Flächen am Tirpitzhafen noch vor 2003 (wenn der Truppenabbau beendet ist) an Investoren zu veräußern. Es gebe, so die Antragsbegründung, bereits "vier potente Investoren aus dem maritimen Bereich", die an einer möglichst raschen Bebauung interessiert seien. Gansel besorgt um seine guten Kontakte zu den potentiellen Mördern: "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir die Bundeswehr heraus drängeln." Zwar müsse man mit jedem privaten Investor "pfleglich umgehen", aber es müsse klar sein: "Die Bundeswehr hat Vorrang." Gerade bei seinem letzten Gespräch mit "Verteidigungs"minister Scharping habe dieser ihm nochmals versichert, dass mindestens ein Einsatzgruppenversorger (marine Logistik für die schnellen Einsatzkräfte der BW, also ein Schiff für deutsche Kriegsabenteuer in aller Welt) in Kiel stationiert werde. "Bei aller Notwendigkeit von Wirtschaftsförderung", so outete sich Gansel erneut als Marine-Fan der Hardline-Sorte, "geht es hier in erster Linie um die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik".

(jm)