Debatte

Zur Transgender-Debatte:

Diskriminierung oder berechtigte Separation?

Seit einigen Wochen hat eine neue Debatte über Transgenders auch Kiel erreicht. Bei einer Veranstaltung von Frau KuKo, die wie üblich und bisher allgemein akzeptiert als "nur für Frauen" angekündigt war, wollten einige Lesben durchsetzen, dass auch eine Transgender-Frau (Mann-zu-Frau Transgender) Zutritt bekommt. Gegen den Zutritt an sich, aber auch gegen die Art und Weise, diesen zu erzwingen, gab es Vorbehalte bei einigen Frauen von Frau KuKo. Die Transgenders fühlen sich dadurch diskriminiert. Sie fühlen sich als Frauen und begreifen daher das Prädikat "nur für Frauen" auf sie selbstverständlich zutreffend. Seither wird intern heftig debattiert. Wann ist eine Frau eine Frau? Stecken in Mann-zu-Frau-Transgenders womöglich noch männliche Sozialisationen, so dass Frauen "natürlichen Geschlechts" (ohne Zweifel eine Hilfsbezeichnung) sich in ihrer frei gewählten Separation von "Männern" unterlaufen fühlen. Eine Debatte auch darüber, was eigentlich Geschlecht/Gender ist, und ob das Prädikat "nur für Frauen" noch zeitgemäß ist. Wir dokumentieren dazu eine ...

Positionsbestimmung aus der Sicht der Menschwerdung der Frau

von EVA DOCKERILL, FRAU KUKO

Ich bestehe darauf, dass wir unsere Veranstaltungen weiterhin ausdrücklich nur für Frauen anbieten. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass es unmöglich ist, die Geschlechtszugehörigkeit unserer Besucherinnen zu kontrollieren oder unsererseits zu bestimmen. Vielmehr sind wir auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen, dass der feministisch-lesbische Charakter, der unsere Separation in eigene Frauenräume bestimmt, von allen beteiligten Frauen gewünscht und gewahrt wird.

Diejenigen Lesben, die in letzter Zeit auf aggressive Weise versuchen, unsere Veranstaltungen für alle, die Frau sein wollen, zu öffnen, scheinen selber keinen Wert (mehr) auf den frauenpolitischen Anspruch unserer Öffentlichkeitsarbeit zu legen. Ihr Eintreten für die vermeintlich Schwächeren setzt uns moralisch ins Unrecht, was zugleich die erstaunlich unbeirrbare Selbstgerechtigkeit ihres Auftretens gegen uns erklärt. Diesen Lesben (wie erst recht den meisten Heteras, Transsexuellen und linken wie rechten Männern) ist es gleichgültig, dass die verlangte Einbeziehung aller Menschen, die sich Frau nennen, die sich als Frau im Männerkörper fühlen (oder umgekehrt), bzw. eine transsexuelle Vergangenheit haben, ohne unseren frauenpolitischen Anspruch nachvollziehen zu können oder zu wollen, den besonderen Charakter unserer bisherigen Arbeit zerstören könnte und engagierte Mitfrauen vertreibt. Sie setzen sich rücksichtslos darüber hinweg, dass für eine wahrscheinlich überwiegende Zahl von Lesben jener öffentliche Raum verloren geht, wo bisher Frauenfeste und -veranstaltungen ungestört blieben von gewöhnlich zudringlicher männlicher Selbstdarstellungssucht und Wichtigtuerei. Auch in schwul-lesbischen Zusammenhängen dominiert männliches Gehabe.

Andererseits halte ich die zunehmende Öffentlichkeit von Lesben- , Transsexuellen- und Schwulenbewegungen für eine befreiende Entwicklung in der gesellschaftlichen Emanzipation von der hergebrachten patriarchalen Geschlechtsrollenfixierung. Sie zeigt an, dass die herrschende Norm der auf Ehe und Paarbeziehung basierenden patriarchalen Familie brüchig geworden ist. In der Ehe ist die Frau dem Mann untergeordnet. Das wird im Ritual der kirchlichen und staatlichen Eheschließungen immer noch gesellschaftlich sicher gestellt, wenn auch mittlerweile in abgemilderter Form. Diese Norm ist juristisch auf verschiedenen Ebenen fixiert - bis hinauf zum Grundgesetz: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates" heißt es dort in Artikel 6. Damit wird das Fortpflanzungspotential einer Nation durch staatliche Gewalt geregelt. Die Bedürfnisse der Frauen werden vollkommen ignoriert. Männlicher Sexualität werden erst neuerdings geringfügige Grenzen gesetzt.

Männliche Sexualität ist aufdringlich, penetrant, gewaltsam, vergewaltigend.

Als wir uns die Separation der Frauenzentren schufen, war eine unserer frühesten Einrichtungen dort die Notrufgruppe, darauf folgten direkt die ersten Frauenhäuser. Sie sind bekanntlich nach wie vor unentbehrlich! Dennoch fragen Männer und neuerdings auch manche Transpeople scheinbar ahnungslos: "Wovor habt ihr denn Angst?", "Was wollt ihr?", sagen: "Wir möchten euch verstehen" - und einige drängen uns ungeduldig ihre Verständigungsbereitschaft auf. Denn nicht nur männliche Sexualität, auch alles übrige ansozialisierte männliche Gehabe hat etwas Aufdringliches. Wir kennen das aus gemischten Veranstaltungen: Man hat (uns) so viel Wichtiges zu sagen, man weiß wo es (für uns) lang geht, und frau, wenn sie nicht längst solche gemischten Veranstaltungen meidet, fällt entweder zurück in die ihr anerzogene Unwichtigkeit und verstummt wieder, oder sie versucht mitzureden - nur man hört ihr gar nicht zu (auch patriarchal orientierte Frauen folgen diesem Muster und sind oft die ersten, die im Schulterschluss mit der Männerdominanz feministische Emanzen im Regen stehen lassen). In der Öffentlichkeit werden wir ständig mit einem Frauenbild konfrontiert, das uns auf die primitivsten männlichen Ansprüche an uns reduziert: Sexy oder mütterlich. Außerhalb dieses simplen Musters männlicher, patriarchal geprägter Wahrnehmung als entweder hemmungslos geil auf Männersex (Pornodarstellerin, Prostituierte - nicht etwa aus Not, sondern aus Leidenschaft - Vamp) oder als zugleich aufopfernde und schutzbedürftige Mutter, erfährt frau immer noch relativ wenig Beachtung. Frauen als individuelle Persönlichkeiten sind nur ausnahmsweise gefragt, gefördert nie. Sie müssen sich ein Leben lang durchsetzen. Es ist diese Reduktion auf das uralte Muster, Hure oder Heilige, der wir uns mit der Schaffung eigener Frauenräume entzogen. Wenn linke Kritiker dies einer "Logik nationalen Wahns" zu ordnen (Bahamas 30/99), haben sie uns, wie gewöhnlich, während der letzten 20 Jahre nicht zugehört.

Viele von uns entwickelten und entwickeln auch heute noch nur in der selbst gewählten Ausgrenzung aus der Männer-dominierten Gesellschaft Selbstvertrauen und ein ausreichendes Selbstbewusstsein, um sich zur eigenen besonderen Persönlichkeit zu entfalten. Unsere Separation in Frauenzentren, Frauencafés, Frauenbuchläden, Frauenwochen, auf Frauenfesten und auf Frauendemos, mit Frauenblocks in linken Demos usw. brachte eine Vielzahl wunderbarer Frauenpersönlichkeiten hervor. Mit dieser Separation schufen wir uns Ausgangsbasen für gemeinsames wirklich autonomes Handeln -- eine autonome Gegenöffentlichkeit. Erst diese leider nicht energisch genug weiter verfolgte Autonomie ermöglicht es uns, eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft selbstständig zu denken und in Ansätzen zu praktizieren.

Die selbstbestimmten Frauenräume und -auftritte waren der männlichen Aufdringlichkeit immer unerträglich.

Schwul-lesbische Gegenöffentlichkeit ist eine wichtige Form anti-patriarchaler Bewegung wo wir vor direkter sexueller Zudringlichkeit ja auch sicher sein können. Doch das Frauenbild der Schwulen ist ganz der primitiven sexuellen Anspruchslosigkeit der heterosexuellen Männerwelt verhaftet geblieben, es wird nur geistreicher und verspielter (und als Spiel für uns erträglicher) in Szene gesetzt als die dumpfe, heterosexuelle Biertisch-Zote. Aber nimm den Schwulenfestivitäten die Persiflage auf weiblichen Sex, wie Männer ihn verstehen, und das dazugehörige Pendant der dümmlichen Hausfrau, da bleibt nicht viel kabarettistischer Witz, der wirklich die patriarchalen Normen unserer Gesellschaft irritiert. Nicht zufällig spricht die Queer-Theorie, die gegen unsere Separation plädiert und für schwul-lesbische Gemeinsamkeit eintritt, im Bezug auf Geschlechtsrollen stets nur von Spiel, als hätten wir bereits so viel Emanzipation erreicht, dass der Rest patriarchaler Gewalt quasi spielerisch zu erledigen wäre. Und allzu platt wird die Argumentation gegen uns, wenn sie sich, wie jüngst im HaJo (11/99) auf die Frage nach der jeweiligen Verkleidung (Rock oder Schlips und Jackett) beschränkt.

Aber was oder wer oder welche ist nun Frau? Das, so gebietet der Respekt vor selbstbestimmter Persönlichkeit, muss jede/jeder selbst entscheiden, jedoch ...

Jedoch bestreite ich, dass die materielle Wirklichkeit von der Idee her, durch Wünsche, Gefühle, Begriffe, ohne Berücksichtigung bestimmter natürlicher und gesellschaftlicher Voraussetzungen umzugestalten wäre. Eine Vorstellung, die - nebenbei bemerkt - fatal an das hergebrachte patriarchale Weltbild erinnert, wonach alles materielle Sein durch die schöpferische Geisteskraft der (göttlichen) Idee hervorgebracht wird. Das Bewusstsein bestimmt und beherrscht die letztlich passive Körperlichkeit. Dieser Sichtweise liegt ein erkenntnistheoretisch behaupteter absoluter Dualismus von Geist und Natur zugrunde, der die zutiefst körperfeindlichen patriarchalen Religionen hervorgebracht hat und die bekannte geschlechtliche Zuordnung, wonach Mann zeugend aktiver Geist und Frau passiv empfangende Natur ist. Manifestiert ist dieses Weltbild durch die sprachliche Gleichsetzung von Mann und Mensch. Aber so wenig wie diese sprachliche Konstruktion die wirkliche Geschlechterbeziehung hervorgebracht hat (vielmehr können Begriffe die wirklichen Prozesse immer nur annähernd genau festhalten und spiegelt die Sprache hier die Praxis jahrhundertelanger, realer Frauenunterdrückung wieder), so wenig lässt sich das patriarchal gestaltete Geschlechterverhältnis durch Dekonstruktion der Kategorien "Mann/Frau" und durch spielerische Auflösung der Geschlechtsrollen aus der Welt schaffen, wie uns die Queer-Theorie einreden will. Was die biologisch vorgegebene Geschlechtlichkeit betrifft, so scheint sie trotz aller möglichen fließenden Übergänge selbst durch gewaltsamen medizinischen Eingriff nicht vollständig von natürlichen Vorgaben zu befreien zu sein. So wie ich beispielsweise ehrlich überzeugt behaupten könnte, ich fühle mich jung, und doch dort, wo junge Menschen unter sich sein wollen, fehl am Platze wäre, selbst wenn ich mich mehrfach liften ließe. Könnte ich denen, wenn sie mich isolieren, vorwerfen, dass sie mich ausgrenzen oder gar, dass sie rassistisch handeln? Schließlich sind gerade alte Menschen in dieser Gesellschaft von Isolierung und Vereinsamung besonders betroffen. Darf ich mich (nach hergebrachter patriarchaler Manier übrigens) den jungen Menschen ohne Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse aufdrängen, um mit dem Altsein klarzukommen?

Die Transgender-Debatte kann sich ihrem ganzen Inhalt zu Folge von der Zweigeschlechtlichkeit, die sie so gerne hinter sich lassen möchte, nicht lösen. Was bliebe von ihr ohne die Kategorien Frau und Mann? Der begriffliche Inhalt der Kategorien Frau/Mann bezieht sich unvermeidlich auf menschliche Zweigeschlechtlichkeit, der unterschiedliche körperliche Merkmale zu Grunde liegen. Das sind Merkmale, die ausschließlich für familiäre und nationale Fortpflanzungsinteressen von Bedeutung sind. Für die menschliche sexuelle Orientierung können sie durchaus sekundär sein (darüber sind wir uns einig mit Queer). In anderen gesellschaftlichen Beziehungen, beispielsweise in den meisten solidarischen Aktionen, sind sie völlig zu vernachlässigen. Die Debatte muss schon in dieser Hinsicht differenzieren, um nicht in bloße Demagogie abzugleiten. Differenziert werden sollte auch genauer zwischen jeweils subjektiver Befindlichkeit und gesellschaftlichen Prozessen, die ihrerseits auf individuelle Empfindungen zurückwirken. Die Queer-Theorie mit ihrem subjektivistischen Ansatz ist da wenig hilfreich.

Der derzeitige Mainstream heißt aber Queer und das zentrale Thema von Queer-Theorie und -politik ist die menschliche Zweigeschlechtlichkeit in abgestuften Variationen der Negation - nur nicht in ihrer eigentlichen Aufhebung: Dann wäre sie kein Thema mehr. Queer-Theorie nagelt uns fest zwischen den kategorialen Polen Mann und Frau, ohne Chance, thematisch darüber hinaus zu gelangen, obwohl der wirkliche gesellschaftliche Zusammenhang in der Arbeitswelt, sowie in Politik, Kirche und Freizeitgestaltung, bereits sehr weitgehend auf die Mann-Frau-Polarisierung verzichten kann und dies auch tut. Insofern hinkt die Queer-Theorie in universitärer Abgehobenheit der gesellschaftlichen Praxis hinterher, und Queer-Politik rennt offene Türen ein. Wo diese Türen aber tatsächlich noch verrammelt sind, weil von konservativer Seite familiäre und nationale Interessen, d.h. blutsverwandtschaftliche Beziehungen mit Zähnen und Klauen, oder moderner ausgedrückt mit Demokratie-Abbau und Militarisierung, verteidigt werden, gibt sich Queer unverhältnismäßig harmlos, begnügt sich mit einem spielerischer Bündnis zwischen Schwulen, Lesben und Transen und versteht sich damit schon als subversiv. Einzig feministische Separation macht Queer-Politik richtig aggressiv.

Akademikerinnen kritisieren sie als "homogene Identifikation", die Differenzen ausschließt, statt im Bündnis aller sexuellen Nonkonformistinnen aufzugehen. Linke Gutmenschen der verschiedensten Geschlechtlichkeit verlangen die Öffnung unserer Veranstaltungen im Namen des Anti-Rassismus, womit wir als Rassistinnen am linksliberalen Pranger stehen. Ein nicht ganz so herber Vorwurf ist mangelnde Solidarität. Mit der Forderung, die allenthalben isolierten Transsexuellen bei uns aufzunehmen, wird alles mobilisiert, was an konservativer Weiblichkeit noch in uns steckt. Und frau reagiert ganz als Frau, wie sie sein soll. Wo Opfer sind, muss frau heilen und helfen, wie es ihr von Alters her anerzogen wurde. Sie, ausgerechnet sie, die politische Emanze, darf doch Schwächere nicht ausgrenzen und seien es noch so wenige Räume und noch so seltene Gelegenheiten, wo feministisch-lesbische Politik sich Abgrenzung noch vorbehält und sich erlaubt, Grenzüberschreitungen abzuwehren.

Aber, es tut mir leid, wenn eine uns ihr Frausein mit der auf weiblicher Seite patriarchal ansozialisierten Strategie weiblicher Schwäche und Schutzbedürftigkeit nahebringt, kann das feministisch-lesbische Wachsamkeit nur misstrauisch machen. Dass feministisch-lesbisches Selbstbewusstsein die Opferrolle ablehnt, sollte sich schon herum gesprochen haben, ebenso unsere Ablehnung sozialer Mutterschaft, d.h. dass frau wie eh und je zuständig zu sein hat für alle, die mühselig und beladen sind.

Übrigens, dass die ein oder andere Transsexuelle offensiv auf die Öffnung unserer Frauenräume erpicht ist (ich kenne nur eine, die drängt), ist eine Randerscheinung, die eigentliche Offensive kommt von Lesben und vor allen Dingen aus den Universitäten - von lesbischen Theoretikerinnen. Dagegen hilft nur selber denken und Parteilichkeit für menschliche Emanzipation.