Kommentar

Wie bei Willem

Am 1. Januar ist es so weit, dann kommt Hartz IV über uns. Rund zwei Millionen Menschen in Ost und West werden es sofort zu spüren bekommen, aber über vielen Millionen wird künftig das Damoklesschwert der Armut schweben, die künftig wieder droht, wenn man die Lohnarbeit verliert. Aber nicht nur dann. Die Lobbyverbände der Industrie und der Dienstleistungsbetriebe gehören zu den eifrigsten Fans Schröders und seiner "Reformen", da die Absenkung von Sozialhilfe und Bezügen der Arbeitslosen auch aufs Lohnniveau drückt. Sozialverbände kloppen sich um Ein-Euro-Stellen, aber in einigen Bereichen haben Gewerkschaften schon Tarifverträge abgeschlossen, die diesen Namen nicht mehr verdienen: Auch in Deutschland gibt es inzwischen immer mehr Menschen,die für ihre Arbeit kein auch nur halbwegs anständiges Einkommen mehr bekommen. Arbeiten in Armut, working poor, ist keine angelsächsische Spezialität mehr.
Die Wut über diese Zustände ist weit verbreitet, wie die Welle der außergewöhnlich spontanen Montagsdemonstrationen im Spätsommer gezeigt hat. Sie ist zwar reichlich desorganisiert und ziellos, aber wer weiß, vielleicht kann ja noch etwas daraus werden. Also muss ein Gegengift her. Man kennt das schon aus Kaisers Zeiten und natürlich auch von den Nazis: Wenn's in der Lohntüte immer weniger gibt und der Magen knurrt, dann muss dem Volk was fürs Herz gegeben werden: Vaterlandsliebe, Religion, Patriotismus und ein anständiger Feind, nach dem man treten kann. Religion zieht heute nicht mehr besonders, aber Patriotismus geht noch, scheint man zumindest bei CDU und CSU zu meinen.
Aber besser noch wirkt die Hetze gegen Einwanderer. Damit hat seinerzeit schon Roland Koch in Hessen die Wahl gewonnen. Also schwafelt man etwas vom christlichen Europa daher - in dem, nebenbei bemerkt, für unsereins dann vermutlich auch kein Platz ist -, schürt diffuse Ängste vor dem Islam und wirft jenen, die seit Jahrzehnten ausgegrenzt werden, vor, sie würden Parallelgesellschaften betreiben. Aber wahrscheinlich hat man sie aus genau diesem Grunde in die Gettos gedrängt, um sie anschließend als Feindbild, als die unverstandenen Anderen vorführen zu können. Teile-und-Herrsche in Zeiten von Hartz IV. Dagegen hilft nur massenhafter gemeinsamer Widerstand gegen die asoziale Politik der großen Koalition. Nichts sonst. Das ist nicht einfach und nicht bequem, aber die Alternative ist ein brutales Jeder-gegen-jeden.

(wop)