Gegen Kriminalisierung von Wanderarbeitern:

In arms, brothers

Seit Jahrhunderten wandern Menschen für Arbeit, genauer: um sich und die Ihren zu ernähren. Ob in Europa, Asien oder in Südamerika: Wo Menschen ohne Arbeit sind, verlassen sie in letzter Konsequenz Heim und Herd, um anderswo danach zu suchen. Ausgerechnet die nach Flexibilität schreiende "Globalisierung" jedoch macht aus ihnen "Illegale" und manche Gewerkschaft stimmt in den Chor ein: "Illegal ist unsozial!".Gegen Profitstreben und Unverständnis der handelnden Akteure ist nötiger denn je, zusammenzuschließen, was zusammen gehört.
Ausgerechnet die viel zitierte "Globalisierung", deren FürsprecherInnen immerzu mehr "Flexibilität" der Menschen fordern, stellt sich umso unbeweglicher dar, wenn es um die Bewegungsfreiheit eben jener Menschen geht. Während uns dieses Europa nicht viel mehr als eine mehrminütige Zeitersparnis beim Nationenwechsel eingebracht hat, formiert es sich für Nicht-EU-BürgerInnen und auch viele Menschen in den östlichen Beitrittsländern zum eingezäunten Bollwerk. Es soll nicht rein, wer nicht benutzbar ist.
Da sich jedoch Arbeitsmigration wegen des zugrunde liegenden Existenzdruckes keinesfalls einschränken lässt, die ArbeiterInnen aber dauerhaft Verfolgung ausgesetzt sind, verdingen sie sich stets prekärer (also billiger), als ihre einheimischen KollegInnen: Eine Erkenntnis, die den beteiligten Gewerkschaften leider abgeht. Wohl am deutlichsten zeigen sich die Folgen dieser Politik in den Branchen des Bau- und des Gastronomiegewerbes. Flächendeckend unterlaufen Unternehmen Tarifverträge, Gesetze und festgeschriebene Arbeitsbedingungen, von den Kontrollbehörden weitgehend ungehindert. So wurde wie zum Hohn ausgerechnet der Neubau des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden 2001 maßgeblich von illegalisierten ArbeitsmigrantInnen errichtet. Die Hauptzollämter erhöhen zwar jährlich die Zahl der Razzien, richten sich aber nach wie vor überwiegend gegen die angetroffenen ArbeitnehmerInnen, nicht gegen die kriminellen Drahtzieher der Branchen.
Die IG BAU, trotz interner wie externer Kritik nach wie vor Verfechterin der Razzien, hat zwischenzeitlich zumindest erkannt, dass der Zoll alleine nicht die ultima ratio sein kann. Deshalb gründete sie im Juli 2004 den "Europäischen Verband der Wanderarbeiter" ("European Migrant Workers Union"), um den Dumpinglohnsektor zu organisieren. Der Erfolg gibt der neuen Initiative recht: Bereits nach wenigen Wochen hat die Gewerkschaft mehr als 500 Mitglieder gewonnen, obwohl man sich anfangs auf polnische und ungarische KollegInnen beschränkte . Tendenz rasant steigend. Dieser Ansatz, und nur dieser Ansatz, zeigt den Weg zur Lösung der “Problematik Arbeitsmigration". Auch der IG BAU-Bezirksverband “Holstein" hat sich das auf die Fahnen geschrieben. In einer regionalen Beilage zur Mitgliederzeitschrift "Der Grundstein" formulierte man im Juli: "Bei unserem berechtigten Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sollten wir eines nicht aus den Augen verlieren: Auf den Baustellen, bei Kontrollen, Anzeigen u.s.w. erwischen wir die Falschen. (...) Vielleicht können wir mit dem alten Spruch: ´Proletarier aller Länder vereinigt Euch´ mehr erreichen? Mit den nichtdeutschen Kollegen ihren, unseren Kampf zu organisieren."

Was wäre nun, wenn sich Gewerkschaften einerseits und Flüchtlingsräte oder MigrantInnenorganisationen auf der anderen Seite die Hand reichten und gemeinsam für die Rechte von MigrantInnen eintreten würden, wie dies viele US-Gewerkschaften seit Jahren erfolgreich praktizieren? Was, wenn Gewerkschaften automatisch Nachricht erhielten, wenn ArbeitsmigrantInnen in Abschiebehaft geraten und Interessantes über ihre bisherigen Arbeitgeber zu berichten haben? Was wäre weiter, wenn sich der DGB oder auch die neue Migrations-Gewerkschaft gegen die rückwärtsgewandte Einwanderungspolitik der Bundesregierung engagieren würden, die Ursache und Wirkung zugleich ist in der Frage von Dumpinglöhnen und Billigkonkurrenz? Was, wenn das Wort von der "internationalen Solidarität" nicht hohle Phrase bliebe?

Gewiss schwer vorstellbar. Aber einzige Möglichkeit, um Rassismus und Ausbeutung gleichermaßen nachhaltig zu bekämpfen.

(Olaf Harning)

(Der Autor ist Betriebsrat und Vorsitzender der Fachgruppe Bauhauptgewerbe der IG BAU Hamburg. Wir entnahmen den Artikel dem Magazin des Flüchtlingsrates Schleswig Holstein Der Schlepper.)