KERNspalte

Nasskalt und, was die Fußgänger angeht, nicht allzu voll war's am 13.11. auf der Stunkparade in Berlin. Die Bäuerliche Notgemeinschaft hatte einen imposanten Zug von ca. 80 Traktoren mit Anhängern und Tiefladern aufgeboten, die einfallsreich geschmückt waren und einen ziemlichen Verkehrsstau vor dem Brandenburger Tor verursachten. Bei der Kundgebung auf dem Alexanderplatz fanden sich etwa 2.500 Menschen ein, darunter auch Internationalistas aus Frankreich und England sowie MdB Christian Ströbele, die eine sofortige Stilllegung aller Atomanlagen und damit einen Politikwechsel vom Umweltministerium verlangten - leider nicht so viele, wie sich die Veranstalter erhofft hatten. Entsprechend gering war das Presseecho.

Trittin hat inzwischen Ärger mit den eigenen Parteigenossen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die goutierten seine Genehmigung des Endlagers Lubmin bei Greifswald nicht, obwohl er doch die strenge Auflage mit der Genehmigung verbunden hatte, dass dorthin nur Atommüll der stillgelegten DDR-Atomkraftwerke Greifswald und Rheinsberg geschafft werden darf. Trittin: "Ich würde mich freuen, wenn ich Gelegenheit hätte, weitere Zwischenlager wegen der Stilllegung von Atomkraftwerken genehmigen zu können." Wir wissen natürlich nicht, wie groß die Freude bei der Genehmigung der Zwischenlager in Obrigheim und Lingen war und des Endlagers im Schacht Konrad sein wird, die ja praktisch fest zugesagt sind. Aber gönnen wir Jürgen Trittin diese Perle seines grauen Ministeralltags! Diesmal hat er leichtes Spiel, denn wer die Castortransporte von Rheinsberg behindere, der "verhindert die Sanierung des verseuchten Geländes" und wende sich gegen den Bau zweier hochmoderner Gas- und Dampfkraftwerke, mit denen 400 Arbeitsplätze gesichert würden, so der Minister.

Gut, mal angenommen, es stimmt, dass die Castorgegner in MacPomm Umweltschweine sind, was ist dann ein Umweltminister, der neue Uranhexafluorid-Transporte in die Urananreicherungsanlage in Gronau zulässt, die nun garantiert dort nicht entsorgt werden sollen, sondern dem Weiterbetrieb der Verseuchungsquellen dienen? So geschehen am 30.11., als ein Güterzug mit UF6 aus Pierre Latte in Frankreich die Grenze bei Perlapach überquerte. Der Transport wurde durch Anti-AKW-Proteste begleitet - unter der Devise: "Die Brennstoffspirale am Anfang angreifen!" -, kam aber am 2.12. in Gronau wohlbehalten an.

Eine vom BUND in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass sog. "Crud"-Teilchen - große radioaktive Partikel, die ungefiltert aus dem Kühlwasser über die Maschinenhäuser an die Umwelt abgegeben werden - Leukämie verursachen könnten, wie sie z.B. in der Umgebung des AKW Krümmel seit 10 Jahren gehäuft auftritt. Der BUND verurteilt dementsprechend das Geschachere der Politik um Restlaufzeiten auf der Basis einer "rein wirtschaftlichen Argumentation" und fordert stattdessen die sofortige Stilllegung von Krümmel sowie von Biblis, Stade, Obrigheim und sämtlicher Siedewasserreaktoren, u.a. auch Brunsbüttel, bei denen die Studie ebenfalls schwerwiegende Sicherheitsmängel aufgedeckt habe (www.bund.net/aktuell).

Bei einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses in Berlin erklärte ein Vertreter der Gesellschaft für Anlagenbau und Reaktorsicherheit, die Empfehlungen der Experten über innerdeutsche Transporte von Atomkraftwerken in die Zwischenlager Ahaus und Gorleben sowie Transporte verglaster, hochradioaktiver Abfälle (Glaskokillen) aus der Wiederaufarbeitung seien umgesetzt. Jetzt müssten auch die Genehmigungen erteilt werden. Ein Vollzugsdefizit, das aber erfüllbar sei, gebe es nur bei den Transporten zu den WAAs. Castor-Transport im Januar - da müssen sich beide Seiten warm anziehen!

(BG)