Hintergrund

Sinkende Stadtwerke

Vom Wettbewerb zum Atomausstieg

Das im letzten Jahr verabschiedete Energiewirtschaftsgesetz hat die Vorgaben der EU-Binnenmarktrichtlinie Elektrizität in nationales Recht umgesetzt. Die bisherigen Gebietsmonopole wurden abgeschafft und damit der Wettbewerb eröffnet. Dabei droht die dezentrale Energiestruktur der Stadtwerke verloren zu gehen.

Am 27.9. haben 20.000 Beschäftigte auf einer Demonstration in Berlin darauf aufmerksam gemacht, dass im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes die Stadtwerke von den grosßen Energieversorgungsunternehmen in einen Preiskampf gezwungen werden. Nach Aussage des energiepolitischen Sprechers des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Klaus Traube, wird großen Industriebetrieben die Vollversorgung mit Strom für 5 Pf je kWh angeboten. Bei diesen Dumpingpreisen kann die Erzeugung in Blockheiz- und Heizkraftwerken nicht mithalten. In modernen gasbeheizten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) ab 1 MW elektrischer Leistung wird der Strom derzeit für ca. 7 Pf/kWh produziert.

Politisch erschwert wurde die Lage für die Stadtwerke durch die rot-grüne Regierung. Nur kleine Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur Eigenerzeugung von Strom sind von der Energiesteuer befreit. Nun sind viele Arbeitsplätze bei den KWK-Betreibern und Herstellern bedroht. Gerade die Kraft-Wärme-Kopplung ist aber ein Bereich, in welchem besonders kostengünstig und ergiebig klimaschädliche CO2-Emissionen reduziert werden können. Die KWK verbindet zukunftsfähige Arbeitsplätze, vorsorgenden integrierten Umweltschutz, Luftreinhaltung und Klimaschutz. Im europäischen Vergleich ist der KWK-Anteil an der Stromerzeugung hierzulande mit 10% relativ niedrig. In Dänemark, Finnland und den Niederlanden beträgt der Anteil 35-45%.

Für den Preiskampf sind die Stromkonzerne bestens vorbereitet. Sie haben große, bereits abgeschriebene, Überkapazitäten, sie konnten durch die Monopolgewinne entsprechende Rücklagen bilden und sie haben eine Kriegskasse von 70 Mrd. DM, die Rückstellungen für den Atombereich. Dieses Geld haben sie schon erfolgreich eingesetzt, um sich in andere Versorgungs- (Wasser) und Entsorgungsbereiche (Abfall) einzukaufen.

Ein weiteres umwelt- und beschäftigungspolitisches Problem auf kommunaler Ebene ist die Quersubventionierung des ÖPNV durch die Stadtwerke. Im derzeitigen unregulierten Preiswettbewerb auf dem Strommarkt wird die notwendige finanzielle Unterstützung des ÖPNV nicht mehr möglich sein. Der ÖPNV ist wegen der staatlichen Rahmenbedingungen und der massiven Privilegierung des motorisierten Individualverkehrs bei kostendeckenden Preisen nicht wettbewerbsfähig. Sollte der ÖPNV nun wegbrechen, dann droht nicht nur ein Verkehrsinfarkt, sondern auch ein steigender Energieverbrauch im Verkehrsbereich.

Um die bedrohliche Lage für die Stadtwerke abzuwenden ist nun schnelles politisches Handeln gefragt. Um die KWK zu unterstützen ist eine rechtlich verbindliche, diskriminierungsfreie Netzzugangsverordnung notwendig, die einen Mindestpreis für die Einspeisung vorsieht. Zusätzlich sollte die KWK, zumindest für eine Übergangszeit, von der Ökosteuer befreit werden. Ein Vorschlag, der den Bestand der KWK zusätzlich sichern würde ist das Quotenmodell. Danach erhält der Produzent von KWK-Strom ein Zertifikat, das verkauft werden kann. Dadurch ist es dem Betreiber möglich, einen zusätzlichen Erlös zu erzielen. Stromverkäufer, welche die staatliche vorgegebene Quote nicht erfüllen, müssen diese Zertifikate kaufen. Es ist allerdings abzusehen, dass es starken Widerstand von den großen Stromkonzernen gegen Quotenerhöhungen geben wird, da die KWK ihnen Marktanteile nimmt.

Auch der schon lange überfällige Atomausstieg unterstützt die KWK. Schließlich würde der größte Teil der Überkapazitäten wegfallen und damit würde es für die Stromkonzerne schwieriger, Dumpingpreise anzubieten. Gleichzeitig ergibt sich bei einem Atomausstieg ein Anreiz für Neuinvestitionen in KWK und erneuerbare Energien. Der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie muss also schnellstens beschlossen und durchgesetzt werden.

Heiko Balsmeyer

(aus: ORNAMENT & VERBRECHEN, Version 2.1 - 15.11.1999, http://www.copyriot.com/o&v)