LinX-EXTRA zur Welthandelskonferenz in Seattle

Hintergrund:

Entwicklung durch (Frei-)Handel?

Glaubt man den Apologeten des Freihandels wie dem WTO-Generalsekretär Mike Moore oder dem EU-Handelskommissar Pascal Lamy, dann ist die Liberalisierung des Welthandels der Königsweg zur Entwicklung der Länder des Südens und zu weltweitem Wohlstand. Die Tatsachen sprechen allerdings eine andere Sprache: Seit Gründung der WTO hat nach Angaben von Bangladeschs Handelsminister Tofail Ahmed der Anteil der am wenigsten entwickelten Länder am Welthandel weiter abgenommen. Ebenso ihr Anteil an den ausländischen Direktinvestitionen.

Der Welthandel, der seit Ende der 80er rund doppelt so schnell wächst wie das globale Bruttosozialprodukt, spielt sich v.a. zwischen den Industriestaaten und einer Handvoll Schwellenländer ab. Die meisten Entwicklungsstaaten warten bisher vergeblich auf die Früchte der Handelserleichterungen, v.a. auch, weil die Industriestaaten nach wie vor hohe Zölle auf zahlreiche Produkte aus diesen Ländern erheben.

Auch historische Erfahrungen widersprechen dem neoliberalen Freihandels-Dogma. Alle Staaten, die sich in den vergangenen 200 Jahren industrialisiert haben, konnten das nur, indem sie ihre Märkte partiell gegen überlegene ausländische Konkurrenz abschotteten. Nur so konnte sich die zunächst unproduktive heimische Industrie entwickeln und den Vorsprung anderer Staaten aufholen. Eingeführt wird in dieser Entwicklungsphase nur, was für die Industrialisierung benötigt wird, aber (noch) nicht selbst hergestellt werden kann. Erst später wird der Markt schrittweise für die ausländische Konkurrenz geöffnet, um die Industrie per Anpassungsdruck auf das Weltniveau zu heben.

Dieses Entwicklungsmodell ist in den vergangenen Jahrzehnten besonders in Taiwan und Südkorea sehr erfolgreich gewesen. Andere Staaten wie z.B. die Philippinen, die schon ab 1960 eine Politik der offenen Grenzen verfolgt haben, sind in ihrer Entwicklung weit hinter den beiden Tigerländern zurückgeblieben. Ihre heimische Industrie bekam nie eine Chance, sich zu entwickeln. Heute wird die industrielle Landschaft der Philippinen dominiert von Sonderwirtschaftszonen, in denen ausländische Konzerne wenig qualifizierte Montagearbeiten ausführen lassen. Die Fertigungstiefe ist minimal, entsprechend wenig Wohlstand und Kapital bleibt im Land. Fast alles, was exportiert wird, muss zuvor eingeführt werden. In Manila verdrängen dafür neue Kaianlagen Hundertausende von Slumbewohnern.

Das ist die Art von Entwicklung, die bei den Rezepten à la Siemens oder IBM herauskommt.

(vgl. auch den Artikel zur WTO in der letzten LinX)