LinX-EXTRA zur Welthandelskonferenz in Seattle

Das MAI ist tot, es lebe das MAI

Die WTO-Verhandlungen als MAI-Clone zu bezeichnen, wie es einige Gruppen tun, ist zwar etwas verkürzt, macht aus europäischer Sicht aber durchaus Sinn. Im Herbst 98 war innerhalb der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) das Multilaterale Abkommen über Investitionsschutz (MAI) gescheitert. Mit ihm wollten die führenden Wirtschaftsverbände der westlichen Welt weitgehenden Schutz für ausländische Investoren sichern und "Wettbewerbsfreiheit" herstellen. Mit anderen Worten: Der Spielraum von Regierungen, die eigene Industrie zu schützen, sollte erheblich eingeschränkt werden. Massive Proteste v.a. in Frankreich und Kanada brachten das Projekt zu Fall.

Vorerst. Die EU hat sich inzwischen darauf verlegt, das Vorhaben innerhalb der WTO wiederaufleben zu lassen. Sie fordert ein Abkommen über den Schutz ausländischer Investoren und will auf möglichst vielen Gebieten Wettbewerb herstellen: Wettbewerb zwischen David und Goliath, wobei die vielen kleinen Davids in den Entwicklungsländern meistens nicht so viel Glück haben werden, wie ihr biblischer Namensvetter. Insbesondere ist die EU scharf darauf, dass öffentliche Aufträge künftig international ausgeschrieben werden müssen. Ein Markt lockt, der in der Regel in den Entwicklungsländern 30% des Bruttosozialprodukts ausmacht. Ein großes Stück vom Kuchen, an das ausländische Konzerne bisher selten herankommen. Regierungen in Entwicklungsländern wie auch Kommunen im reichen Norden wäre ein weiteres Instrument genommen, mit dem regionale Wirtschaftskreisläufe gesteuert werden könnten.

Der Hintergrund der europäischen Bemühungen um ein neues MAI unter anderem Namen ist, dass sich seit Mitte der 80er die ausländischen Direktinvestitionen weltweit verachtfacht haben. Seit etwa vier Jahren hat sich das Zuwachstempo nocheinmal drastisch erhöht. Der überwiegende Teil der Kapitalflüsse bewegt sich zwar noch immer zwischen den Industriestaaten, die damit ihre gegenseitige ökonomische Durchdringung weiter vorantreiben, aber die Investitionen in Entwicklungsländern und in Mittel- und Osteuropa wachsen wesentlich schneller. Die EU, deren Mitglieder zu den größten Kapitalexporteuren gehören, die zusammengenommen die USA erheblich überflügeln, möchte ihre Auslandserwerbungen besser abgesichert haben.