Betrieb & Gewerkschaft

Köln 99: Mobilisierung läuft

Wie Terroristen sahen sie nicht gerade aus, die ca. 700 aus allen Ländern der Europäischen Union, die am 23.1. in der Kölner Uni zusammenströmten. Die örtliche Boulevard-Presse muß enttäuscht gewesen sein, versucht sie doch schon seit zwei Monaten, ihre Leser auf die "Terrorgefahr" einzustimmen, mit der anläßlich des EU-Gipfels im Juni zu rechnen sei.

Doch die Gewerkschafter, Arbeitslosen und Menschenrechtler ließen sich davon nicht beirren, sondern nahmen die ausgestellten Sensationsartikel eher schmunzelnd zur Kenntnis. Ansonsten konzentrierte man sich lieber auf die Arbeit. Griechische Eisenbahner, spanische Anarcho-Syndikalisten von der CGT, französiche Oppositionelle Gewerkschafter der SUD und Vertreter der KP-nahen CGT, Vertreter von Arbeitslosenorganisationen aus zahlreichen Ländern, italienische und skandinavische Jugendorganisationen, der Arbeitslosenverband aus Ostdeutschland und die Gewerkschaft NGG, sie alle hatten auf Einladung der EuroMarsch-Koordination ihre Vertreter geschickt, um über die Vorbereitungen der Aktionen gegen den Kölner EU-Gipfel zu diskutieren. Aus Kiel waren Vertreter(innen) von Avanti und der PDS dabei.

Am 29.5., so wurde am Wochenende nun endgültig beschlossen, soll es in der Rhein-Metropole eine internationale Demonstration gegen den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs geben. Gefordert werden soll u.a. "ein garantiertes individuelles Einkommen, das jeder und jedem erlaubt, anständig zu leben", wie es in einem Aufruf heißt. Im Mittelpunkt wird der Kampf gegen die Erwerbslosigkeit stehen. "20 Millionen Arbeitslose, 60 Millionen Arme, ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse und zunehmende Ungleichheit (...) - das ist die Bilanz von zwei Jahrzehnten neoliberaler Politik in ganz Europa", heißt es in einem anderen Aufruf, auf dem sich am Rande der Konferenz die anwesenden Gewerkschafter einigten. Mit ihm soll innerhalb der europäischen Gewerkschaftsbewegung für Unterstützung der Kölner Aktionen geworben werden. Aus Deutschland waren neben der NGG auch eine Reihe von Betriebsräten und das "Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ÖTV" auf der Konferenz vertreten. Statt einer Politik des weiteren Lohndumpings und der Deregulierung, die von führenden Sozialdemokraten nicht nur in Großbritanien als Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen angepriesen wird, setzen die Gewerkschafter eine "massive und beschäftigungswirksame Arbeitszeitverkürzung überall in Europa, ohne Lohneinbußen, Flexibilisierung und Überstunden". (Wir dokumentieren ihren Aufruf in diesem Heft.)

Der Gedanke, daß das nur durch internationale Zusammenarbeit zu erreichen sein wird, setzt sich immer mehr durch: "Wir wissen, daß allein eine starke und koordinierte internationale soziale Bewegung weitreichende soziale Veränderungen und eine Umverteilung der Reichtümer erzwingen kann", heißt es in dem erwähnten Dokument. Auch andere Gruppen sollen in diese Bewegung einbezogen werden, v.a. Organisationen der Flüchtlinge und Einwanderer. In Frankreich hat man schon seit längerem gute Erfahrungen mit der Verbindung der Kämpfe der Arbeitslosen und der in die Illegalität getriebenen Immigranten gemacht. In Köln waren daher auch Vertreter von Immigranten-Organisationen und das "Karawane-Netzwerk" anwesend, das im vergangenen Sommer in einer ganzen Reihe deutscher Städte Aktionen für die Rechte von Einwanderern und Flüchtlingen organisiert hatte.

Neben der Demonstration sind weitere Aktivitäten geplant. So wird es u.a. einen Marsch von ca. 1.500 französischen und belgischen Arbeitslosen von Brüssel nach Köln geben. Im Anschluß an die Demonstration wird ein mehrtägiges Erwerbslosen-Parlament tagen, eingebettet in den Rahmen eines Gegengipfels, der von Umwelt- und Solidaritätsgruppen organisiert wird. Ebenfalls als Bestandteil des Gegengipfels ist eine Fachtagung von Einwanderer- und Flüchtlingsgruppen geplant.

(wop)