Aus dem Kieler Rat

Schlauch für die Kunst?

Im Rat wurden Pläne für das neue Kulturviertel beschlossen

Anhand eines Modells und einiger Dias erläuterte Stadtbaurat Otto Flagge in der Ratsversammlung vom 21.1. die Entwürfe zur Einrichtung des neuen Kulturviertels im Neuen Rathaus, dem ehemaligen Postgebäude an der Andreas-Gayk-Straße. Im November hatte die Ratsversammlung den Umzug des Kulturviertels einschließlich Stadtgalerie vom Sophienhof in das Neue Rathaus beschlossen (LinX berichtete).

Die Abstimmung über das vom Hochbauamt erarbeitete Konzept im Rat war eigentlich nur noch Formsache, hatte die SPD die Sache doch schon im Kulturausschuß am 12.1. festgeklopft. Jedoch mußte die SPD wie beim Verlegungsbeschluß mit ihrer schmalen Stimmenmehrheit gegen alle anderen Fraktionen auskommen.

Modell des neuen Kulturviertels - Blick von der Andreas-Gayk-Straße auf das Café/Bistro im Eingangsbereich, im Hintergrund die Stadtgalerie

Über das Konzept ist - außer von der SPD - fast nichts Gutes zu hören. Hans-Werner Fahl, Architekturprofessor an der Muthesius-Hochschule, äußerte in den "Kieler Nachrichten" einigermaßen vernichtende Kritik. So sei die Erschließung durch Eingänge dem "klassischen Hauseingang mit Windfang" verwandt, habe jedoch keinerlei Bezug zum umgebenden urbanen Raum. Der Seiteneingang vom kleinen Platz an der Fabrikstraße, der dies wenigstens ansatzweise ermöglicht hätte, soll nach dem Amtsentwurf geschlossen werden. Dies bleibt auch nach einem im Kulturausschuß angenommenen Änderungsantrag der SPD-Kultursprecherin Kohrs-Heimann zur Eingangszuwegung so. Zudem sei die Lichtsituation in der Stadtgalerie "diffus", eine Mischung aus Tages- und Kunstlicht. Nichts Halbes und nichts Ganzes also. Fahls Fazit: "Im Hochbauamt wurde sich offenbar sehr viel Mühe gemacht, den Anforderungskatalog der Politik brav zu übersetzen, leider zu brav."

Auch Rainer Pasternak (Grüne) hatte im Kulturausschuß kein gutes Haar am Entwurf des Hochbauamts gelassen. Pasternak bestritt wie schon früher die behaupteten Einsparungsmöglichkeiten gegenüber dem alten Standort des Kulturviertels. Überdies sei nicht zu erkennen, daß die SPD der von ihr selbst eingeforderten konstruktiven Kritik am Entwurf zugänglich sei. So hatte Stadtbaurat Flagge den Vorschlag der CDU, StudentInnen der Muthesius-Hoschschule an den Planungen zu beteiligen, harsch abgebügelt. Das sei schon "von der Zeitachse her" nicht möglich. Im Rat äußerte sich Flagge noch deutlicher. Man könne nicht "einfach an der Architektenkammer vorbei irgendwelche Studenten kostenlos beschäftigen".

Nachdem Helga Helmig, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Ratsfraktion, kritisiert hatte, daß "nun schon wieder Zeitdruck gemacht werde", anstatt den Entwurf in aller Ruhe zu überdenken ("Wo ist die Zeit für Kultur in Kiel?"), und Ute Kohrs-Heimann (SPD) dagegen gehalten hatte, daß sie "mit dieser Lösung leben" könne und sich nunmehr kurzum auf die Eröffnung freue, sah Hartmuth Kluth (Grüne) die Befürchtung der Grünen bestätigt, "daß man in diesen Räumen keine vernünftige Kulturarbeit machen" könne. Das "multifunktionale Kulturforum" (so die euphemistische Bezeichnung im Plan des Hochbauamts) sei "zwar 8 Meter hoch, aber ein einziger Schlauch". Für den "eilig gebastelten Entwurf" wäre es heilsam, eine Beteiligung der Muthesius-Hochschule würde "wenigstens die gröbsten Fehler ausbügeln".

Ob solcher Kritik sah sich der OB genötigt, sich vor seine "hervorragenden Architekten im Hochbauamt" zu stellen, die "in beeindruckender Weise aus diesem in der Tat etwas schlauchartigen Gebäude etwas Multifunktionales" gemacht hätten. Wer jedoch immer noch der Vorstellung vom Bürgeramt im Neuen Rathaus anhänge und dann von zu niedriger Raumhöhe und "Schläuchen" spreche, lege "für Bilder offenbar höhere Ansprüche als für Menschen an". Bei solcher hahnebüchener Rabulisterei ließ es der OB jedoch nicht bewenden. "Brav ist nicht langweilig und auch nicht häßlich", schoß er gegen die Beurteilung von Prof. Fahl. Zur Beteiligung der Muthesius-Hochschule meinte Gansel, er finde das "anmaßend". Von einer lebendigen Kulturszene erwarte er konstruktive Kritik und nicht, daß man "jetzt 14 Tage vorher als Papst daherkommt und über den Entwurf krittelt". Überdies habe man nicht ein paar Millionen und wolle jetzt eine Stadtgalerie bauen. Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, "daß wir nur sparen wollen - und müssen". Gansel weiter in nicht mehr zu überbietender Kleinbürgerlichkeit: "Jetzt haben wir was eigenes und sind nicht mehr Mieter in einem Kaufhaus." Schön sei es doch, wenn man wie hier "Sparen und eine innovative Kulturpolitik miteinander verbinden" könne. Die KN-Kulturredakteurin Maren Kruse brachte diesen spezifisch Ganselschen Blickwinkel sehr treffend auf den Punkt. In einem Kommentar (KN vom 9.1.99) schrieb sie: "Mit den Folgen Ganselscher Kurzsicht müssen die Kieler auch dann noch leben, wenn der Haushalt längst saniert ist."

(jm)