Kommentar

Denkzettel

Die "sichere Bank", die "Hochburg" ist gefallen. Seit dem vorletzten Wochenende ist Rosa-Grün am Main entmachtet. Koch heißt der Nachfolger aus der Partei jener rassistischen Hetzkampagne, die manche Kommentatoren der bürgerlichen Presse für das richtige Pferd halten, auf das die CDU gesetzt habe. Rührt dieser Koch auch munter mit im Brei an den Stammtischen, wo man dem Volke wiedermal aufs Maul geschaut zu haben glaubt, so gilt er andererseits als Vertreter der "jungen Wilden" in der CDU. Schnell hat die Kohl-Partei vom Bonner Nachfolger gelernt, wie man Wahlerfolge erringt, indem man zwar nicht die Politik, aber die Gesichter austauscht.

Aber war es nun wirklich der Doppelpaß, der in Hessen zum Denkzettel wurde? Die Demoskopen streiten sich, je nach eigener Couleur fällt die Antwort anders aus. Oder war es die Quittung für den Fehlstart von Rosa-Grün in Bonn? Dies scheint wahrscheinlicher, denn die SPD hat im Ergebnis zugelegt, der Machtverlust geht auf das Konto z.T. erdrutschartiger Verluste der Grünen, besonders in ihren Hochburgen. Offenbar haben sich also nicht, wie es die CDU gerne darstellt, enttäuschte Wähler von der SPD abgewandt, weil deren Doppelpässe ihnen zu undeutsch hereinkommen. Das wäre auch verwunderlich, bessert Schily doch nach, sobald der Stammtisch schreit. Nein, die Grünen nicht gewählt haben, v.a. einfach nicht zur Urne gegangen sind Jung- und ErstwählerInnen, bislang das Rekrutierungspotential für grüne Stimmen.

Wenn also aus grünen Sprecherkreisen tönt, man sei die Sache mit dem Atomausstieg wohl zu holterdipolter angegangen, so möchte man entgegnen: Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wenn den Grünen ihre StammwählerInnen einfach nur wegfallen, statt wegzulaufen, dann wohl aus Enttäuschung über die Windelweichheit, mit der das einstige Reformprojekt, nunmehr im Kabinett angekommen, eine "basics-"Position nach der anderen erst relativiert, dann aufgibt. Hessen ist also v.a. ein Denkzettel für die Grünen.

Der kommt freilich recht spät. Man braucht ja schon seit geraumer Zeit eine ziemliche Blauäugigkeit, um von den Grünen noch linke Reformpolitik zu erwarten. Dennoch: Jetzt scheint die Katze endlich deutlich aus dem Sack. Mit den Grünen ist ein Staat zu machen - da ist das Problem. Doch sollte man nicht schadenfroh bei dieser Erkenntnis verweilen, denn auf der Linken findet sich in Richtung Ansprache des enttäuschten, einst grünen WählerInnenpotentials derzeit fast nichts. Die PDS? Die ist für die modernen alternativ-ernährten Spontis mit Internetzugang ohne Atomstrom sicher eher eine hausbackene Lachnummer.

(jm)