Diskussion

Antifaschistisches Bündnis am Ende?

Bemerkungen zu den Merkmalen linker Bündnisse

Am 25.2. fand das Treffen des Kieler Bündnisses gegen die rassistische Unterschriftenkampagne der CDU statt. Zur Reflektion über die vergangene Aktion kam es allerdings nicht. Menschen aus anderen Gruppen erschienen und brachten Freunde aus der Deutsch-Kurdischen Gesellschaft mit. Ein Flugblatt war bereits verfaßt, in dem aufgerufen wurde zu einer Demonstration am 27.2. Wahrscheinlich weil die aktuelle Situation dazu angetan war, überließ sich das Bündnis der Diskussion der Ereignisse nach der Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei. Es wurde verhältnismäßig detailliert über die Geheimdienstoperation und die Lage danach in der Türkei und Deutschland berichtet.

Als die Gruppe sich verabschiedete, erhoben sich alle und verloren sich nach Hause und in die Kneipe. So entstand der Eindruck, daß sich das "Bündnis gegen die rassistische Kampagne der CDU" - so jedenfalls hatten wir uns vor acht Tagen genannt - stillschweigend auflöste.

Ich denke, daß ich zu den Menschen gehöre, die die Gewohnheiten in linken Bündnissen - und nur diese meine ich - ziemlich gut kennen. Ich bin darauf eingestellt, mit diesen umzugehen, und habe Geduld und Geschicklichkeit entwickelt, angenehme und unangenehme Seiten zu sehen und einigermaßen mit Humor hinzunehmen.

Wenn ein linkes Bündnis an einen bestimmten Punkt gerät, sei es eine Aktion ist gerade beendet und damit auch das Thema, oder man/frau hat keinen Einfall mehr, oder es tritt ein Problem sachlicher oder persönlicher Art auf, dann entsteht eine Art Entschlußlosigkeit, die damit beendet wird, daß man/frau einfach verschwindet. Statt ihren Mitmenschen mitzuteilen, daß sie Sehnsucht nach Pause oder nach ihrer Gruppe haben, praktizieren sie den sog. Wegtritt mit Füßen und lassen alle andern allein, bis diese endlich begreifen, daß sie das gleiche mit ihren Füßen tun können. Diese Art, etwas zu beenden, hat den Reiz großer Selbstbewußtheit und der Schadenfreude für sich, nämlich andere einfach im Winde stehen zu lassen. Das ist herrlich, wenn man/frau nicht zu lange damit wartet.

An jenem 25.2. war diese Situation eingetreten: Einige standen gerade alleingelassen herum, als allerdings andere kamen und die Gruppe kurzerhand umfunktionierten: Aus dem antirassistischen Kampagnen-Bündnis wurde eine Pro-Kurdistan-Veranstaltung.

Für ein Bündnis ist es wichtig, daß das Niveau breit bleibt, damit eine Annäherung vonstatten gehen kann. Zu gründliche Nachfragen werden damit beantwortet, daß das hier kein Debattier-Club oder gar eine Theorie-Gruppe sei, oder daß eine solche Frage in die Gruppe - die eigene - gehöre, oder daß es Zeit sei aufzubrechen. Meine Lust auf Erkenntnis ist aber nicht gestillt und egoistisch wie ich bin, hole ich mir diese dann woanders. Das ist wunderbar.

Wenn wir mit ausländischen Linken diskutieren, sind wir sehr solidarisch. So solidarisch, daß wir unsere Fragen vorsichtig einbringen und mehr auf der informativen Ebene belassen. Wie am 25.2. geschehen, platzen dann später die brisanten Themen heraus: "Keine Lust, hinter Öcalans Bild herzulaufen" oder "Wenn die Kurden anti-israelitische Parolen rufen ..." Darauf gab es ernste, wenn auch nicht zufriedenstellende Antworten aber auch - um bei den Gewohnheiten zu bleiben - gar keine, was bedeutet, diese Fragen gehören in den subversiven Raum - oder blasierte: "Du mußt ja nicht zur Demo gehen."

Aus der Sicht der Bündnisse organisieren sich um sie herum ca. 40 Unterstützungsgruppen, was die Stärke der Bewegung ausmacht -sagen die Bündnisse. Da die Kieler Linke ihre Lieblingsthemen und Aktionen hat, z.B. die Wehrmachtsausstellung, ist es für den einzelnen Menschen herzerfrischend und gesundheitsfördernd, zu einem Teil der Veranstaltungen hinzugehen, um die feinen Unterschiede in den Positionen der Gruppen zu erfahren. Auf diese Art kann frau/man später im Bündnis wissen, was wirklich Sache ist und auf welche Fragen es überhaupt Antworten gibt und auf welche nicht. Wenn ich die Lage richtig übersehe, weiß z.B. die Kieler Linke keine Antwort zum Kosovo. Da könnten Bomben regnen, wir bleiben bei der Wehrmacht.

In linken Bündnissen werden Flugblätter gründlich diskutiert - nicht wie am 25.2. einem einfach vorgesetzt, so daß die Aufregung über die Beteiligung der Grünen einem zum x-ten Mal den Kartoffelpuffer verdirbt. Wenn die Menschen übereingekommen sind, murmeln einzelne: "Verteilen tue ich das nicht." Wenn diese Äußerung laut wird, ist zu hören, daß hier "jede/r machen kann, was er/sie will", nämlich sein eigenes Flugblatt verfassen und verteilen. Das ist auch mit Aktionen so und garantiert für jedes größere politische Ereignis die freudigsten Überraschungen. Das, finde ich, ist das Spannende an Bündnissen dieser Art. Wirklich.

(AgE)