Internationales

Gegen EU und Sozialkahlschlag

In Kopenhagen hielt am Wochenende die linke dänische Einheitsliste ihren Jahreskongreß ab. Rund 250 Delegierte und Gäste diskutierten über bevorstehende Anti-EU-Aktivitäten, den Wahlkampf für das Straßburger Parlament sowie die innenpolitische Marschrichtung im kommenden Jahr.

"Mensch vor Markt" verkündete ein Transparent im Rücken der Versammlungsleitung - ein Motto, das sowohl auf die innenpolitische Auseinandersetzung gemünzt war als auch die Ablehnung der Europäischen Union. Denn darüber gibt es in dem ansonsten recht heterogenen Bündnis aus verschiedenen kommunistischen und links-sozialistischen Parteien keine zwei Meinungen: Das "Europa des Kapitals und der Marktkräfte", wie es Keld Albrechtsen nannte, der für die Einheitsliste im dänischen Parlament sitzt, lehnt man strikt ab. Während in Kopenhagen die Politiker ihre Wähler zu beruhigen versuchen, so Albrechtsen, Sprecher der Parlamentsfraktion für EU-Politik, werde in Straßburg und Brüssel längst über eine europäische Verfassung gesprochen, d.h. über einen Superstaat. Den lehnen aber beim nördlichen Nachbarn nicht nur die Linken ab. Besonders besorgt ist man wegen der geplanten Einschränkung des Vetorechts und der Änderung der Stimmenverteilung im Ministerrat. "Die kleinen und mittleren Staaten werden damit noch weiter an Einfluß verlieren", befürchtet Albrechtsen. "Uns steht ein harter Kampf bevor", meint der Folketing-Abgeordnete auch in Hinblick auf die Innenpolitik, denn schon im nächsten Jahr könnte eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro ins Haus stehen, an dem das Land bisher nicht beteiligt ist. In den kommenden Monaten, beschlossen die Delegierten, will man sich an den Vorbereitungen der Protestaktivitäten anläßlich des Juni-EU-Gipfels in Köln beteiligen. Zur Demonstration am 29.5. sollen Busse organisiert werden. Zu den ebenfalls im Juni stattfindenden Wahlen zum Straßburger EU-Parlament wird man nicht eigenständig antreten. Allerdings werden Mitglieder auf den Listen der beiden Anti-EU-Bewegungen kandidieren, die derzeit vier der 16 dänischen Abgeordneten stellen. Im deutsch-dänischen Grenzgebiet, berichtete Baltser Andersen aus Südjütland, sind vier gemeinsame Wahlkampf-Veranstaltungen mit der PDS-Schleswig-Holstein geplant.

Die "Einheitsliste - Die Rot-Grünen" wurde im Dezember 1989 als Wahlbündnis gegründet. Beteiligt waren die Kommunistische Partei, die Sozialistische Arbeiter Partei (IV. Internationale), die Links-Sozialisten und die Kommunistische Arbeiter Partei. Nach einem Jahrzehnt des Niedergangs hatte man mit 1.200 Mitgliedern gestartet. Seitdem hat sich das Bündnis zu einer Partei gemausert. Derzeit zählt man ca. 2.100 Mitglieder, von denen viele keiner der Gründer-Parteien angehören. Politische Debatten verlaufen meist quer zu den alten Organisationslinien in einer solidarischen Atmosphäre, die ausländische Gäste - nicht zuletzt von der PDS - immer wieder neidisch werden läßt.

Neben dem Dauerbrenner EU nahm auch die Debatte um die Arbeit der Parlamentsfraktion breiten Raum ein. Einige Delegierte meinten, die Abgeordneten seien in den Haushaltsverhandlungen zu nachgiebig mit der sozial-liberalen Regierung gewesen. Die hat im Parlament keine Mehrheit und sucht sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall, was die fünf Abgeordneten der Einheitsliste manchesmal vor das Dilemma stellt, ob sie die Regierung unterstützen oder Neuwahlen riskieren soll. Die würden derzeit mit ziemlicher Sicherheit eine konservative Regierung an die Macht bringen, da Einschnitte in das Vorruhestandssystem die Sozialdemokraten viele Sympathien gekostet haben. Dennoch, so Frank Aaen, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion, werde man Streichungen beim Sozialen nicht zustimmen und notfalls auch den Sturz der Regierung in Kauf nehmen.

Bevor die Konferenz mit dem Gesang der Internationale ausklang wurde noch schnell ein neuer Vorstand gewählt, und die siebenjährige Rotation für die Parlamentsabgeordneten bestätigt. Für diejenigen, die wie Frank Aaen seit dem ersten Einzug 1994 dabei sind, heißt das, daß sie nur noch einmal werden kandidieren können.

(wop)