Kultur

KLAUSNER & VEGA in der Hansastraße 48

Virtuoses Wahnsinnen

Klausner geht einkaufen. Im Supermarkt ist die Zukunft schon da, "so abgewrackt und geisteskrank wie die Gegenwart, nur irgendwie technischer". Die Leute schieben Einkaufswagen "wie Särge vor sich her". Klausner kauft einen Tetrapak. Aber ein hoher, schlanker muß es sein, denn "die niedrigen vermitteln ein depressives Lebensgefühl".

Desillusion und Dekonstruktion ziehen sich als rote Fäden durch Kai Damkowskis Romanetüde "angst sucht hase", aus der er in der Hansastraße las. In einem Tempo, das dem virtuosen Wahnsinnen des Bewußtseinsstroms seiner Figur - und alter ego - Klausner in nichts nachsteht. Nahtlos greifen die Glieder der Assoziationsketten ineinander, wechseln scharf beobachtete Rückblende und Gegenwart in der "Echtzeit" eines Wochenendes. Wie ein "Ulysses" der 90er segelt Klausner durch den irrsinnigen Alltag und das alltägliche Irren einer Zeit frei von Illusionen. Freiheit von allem, doch Freiheit wozu? Zu einem frech-frotzelnd-freundlichen Zynismus, der sich einfach mal traut zu sagen, was Sache ist, auch wenn die Bilanz recht ärmlich ausfällt. Klausner/Damkowski: "Das meiste, was gedacht werden kann, ist schon gesagt. Aber man muß davon seine eigene Version machen." Eine "Postpostmoderne" mit resignativem Realitätssinn jenseits von der schicken Boheme hipper Poppoeten wie Benjamin von Stuckrad-Barre. Die Avantgarde des nächsten Jahrhunderts?

"Ich bin wieder bei der Avantgarde dabei", meint lakonisch und selbstbewußt Marcel Vega, Kais Freund und Mitstreiter an diesem Abend. Aus einer Sammlung von "500 Jahren Liedern gegen den Tritt" hat er Protestsongs ausgegraben. Die sozial bewegten 70er feiern fröhliche Urständ'. "Haut bei den Bossen auf den Putz, Jugendvertreter brauchen Kündigungsschutz", reimt es zur Klampfe aus verschnarchten Revoluzzertagen. Das mag lächerlich sein, doch Vega präsentiert es mit jener Ironie, die frei von Häme mit dem Körnchen Wahrheit darin sympathisiert. Denn "auch ich werde ausgebeutet", so Vega mit beißendem Spott über sein Karaoke zur Playback-CD seiner Band Bazooka Cain. Sowas sei sehr ökonomisch. Alle vier Bandmitglieder können gleichzeitig an unterschiedlichen Orten auf Tournee sein. Er selbst ist als Sänger mit dem Charme eines Brel oder Aznavour unterwegs. Und wie er zum Schluß mit der abgeklärten Geste des Alleinunterhalters am Lesetischchen sitzt und dahinschmelzend klagt "Bitte weine noch ein letztes Mal, zieh den Schlußstrich nicht mit dem Lineal", das ist ebenso wie Kollege Kais Klausnerkunst einfach grandios.

(jm)