Anti-AKW

Widerstand gegen rot-grünes Atomprogramm wächst

1.500 protestieren gegen Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben

Das große rot-grüne Regierungsvorhaben "Unumkehrbarer Einstieg in den Ausstieg aus der Atomtechnologie" ist mittlerweile für jeden erkennbar das Papier nicht wert, auf dem es zitiert wird, und das ist gut so, denn die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hatte mit einer stark demobilisierenden Wirkung gerechnet, wenn neue Atomanlagen nicht mehr von Merkel, sondern von Jürgen Trittin genehmigt werden. Diese Befürchtungen konnten am letzten Februar-Wochenende weitgehend ausgeräumt werden.

Am 27.2. war zu einem Treckerkonvoi mit Aktionen gegen die Inbetriebnahme der PKA in Gorleben geladen worden, und über 60 Traktoren und ca. 1.500 AKW-GegnerInnen folgten diesem Aufruf.

PKA - was ist das?

Die PKA sollte ursprünglich zur Zerstückelung von abgebrannten Brennelementen dienen, um sie, portionsweise in Glas eingeschmolzen, für die Endlagerung handhabbar zu machen, ein Vorgang, der von interessierter Stelle "Konditionierung" genannt wird. Nun gibt es ja kein Endlager für hochradioaktiven Müll, schon gar nicht in Gorleben, und so haben sich die Betreiber auf eine Umwidmung geeinigt, um den Platz in der Zwischenlagerhalle besser zu nutzen. "PKA - die machen den Castor auf", erläutert ein Plakat diesen Vorgang. Man will den Inhalt mehrerer relativ kleiner Castor-Behälter zerhacken und fein verglast in einen größeren Behälter füllen, der dann ebenfalls nur einen Stellplatz in der Halle einnehmen würde. Das entwickelt dann zwar mehr Wärme und Strahlung, aber dafür reicht die Kapazität des Zwischenlagers auch länger. Da das Umweltministerium aber bestrebt ist, zahlreiche neue Zwischenlager an den AKW-Standorten entstehen zu lassen, bleibt unklar, ob diese Kapazitätserweiterung auch wirklich nottut.

Erste rot-grüne Atomanlage ohne Anhörungsverfahren?

Jedenfalls ist die Bauphase der Pilotkonditionierungsanlage so weit abgeschlossen, daß es nur noch einer abwasserrechtlichen Genehmigung bedurft hätte, um die ersten 35 t spaltbares Material zu verarbeiten. (Dafür kommen übrigens die Glaskokillenbehälter aus dem letzten Castortransport nicht in Frage, da ihr Inhalt bereits in "konditionierter" Form vorliegt, wodurch eine Nachfrage nach mindestens weiteren 20 t Brennelementen entsteht, die in 4 Castorbehältern transportiert werden müßten.) Deshalb hatten die Anwohner im Wendland mit einem (gesetzlich vorgeschriebenen) Anhörungsverfahren zu Beginn diesen Jahres gerechnet. Nach Aussagen der Betreiber fallen im Jahr etwa 100 Kubikmeter radioaktive Abwässer an, die direkt in die Elbe geleitet werden sollten. (Übrigens werden beim Öffnen natürlich auch radioaktive Gase frei, deren Ableitung über einen gefilterten, 60 m hohen Schornstein aber nicht gegen die Bundesimmissionsschutzverordnung verstoßen würde - wer hätte das gedacht?). Ideal wäre es gewesen, wenn der Aktionstag mit der Anhörung zusammengefallen wäre, dann hätte man diese nämlich umfunktionieren können.

Jetzt sieht es aber eher so aus, daß diese Anhörung überhaupt nicht stattfinden wird. Die findigen Berater aus dem grünen Ministerium haben da eine Lösung ins Spiel gebracht, die eine Beteiligung der Öffentlichkeit völlig ausschließt. 100 Kubikmeter, das erscheint doch eine überschaubare Menge. Die kann man in Tanks zwischenlagern, einmal im Jahr in 4 bis 5 LKWs verladen und zur Versuchs-WAA nach Karlsruhe fahren. Dort werden sowieso größere Mengen radioaktives Abwasser in den Rhein gekippt, und da das Kontingent noch nicht ausgeschöpft ist, kommt es auf 4 Tankwagen mehr oder weniger auch nicht an.

Schily-con-Kanther und Pommes rot-grün

Bei der Kundgebung vor dem Tor zur PKA, die direkt hinter dem Zwischenlager errichtet wurde, machte ein Redner darauf aufmerksam, daß von einem "Pilot"-Betrieb keine Rede sein kann. Es handelt sich in jedem Fall um einen dauerhaften Betrieb, der einer tatsächlichen Verwertung der (z.Z. geringen) zur Verfügung stehenden Müllmenge dient. Die aus dem Wendland stammende grüne Europa-Abgeordnete Undine von Blottnitz forderte in markigen Worten, den Kabinettsmitgliedern ihrer Partei mal gehörig in den Hintern zu treten, um sie daran zu erinnern, wo ihre Wurzeln lägen. Entschieden wies sie den Vorwurf zurück, die Wendland-Bewohner dächten nur an sich, würden sich keine Gedanken über die Rücknahmeverpflichtungen des Atommülls machen und wollten nur, daß er woanders abgeladen würde. Im Gegenteil seien es all die anderen Regionen, die den Müll produzierten und ihn nach dem St.-Florians-Prinzip ausgerechnet in einer Gegend abladen wollten, in der es überhaupt keine Schwerindustrie und damit keine Verursacher gebe. In einem weiteren Redebeitrag sprach man sich für eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit Anti-AKW-Gruppen aus Frankreich, England (Wiederaufarbeitung), USA und Australien (Uranminen) aus.

Bei (überraschenderweise) schönstem Sonnenschein, Pommes "rot-grün" (Aufdruck auf der Saucen-Flasche: "Achtung - grün gefährdet Ihre Gesundheit. Enthält E105, E210 ...") und "Schily-con-Kanther" sowie einer Beteiligung von Traktoren und DemonstrantInnen, die die Erwartungen überstieg, breitete sich eine positive Aufbruchstimmung aus, die vor allen Dingen signalisierte, daß das Warten auf die blaßgrünen Wunder nun ein Ende hat und daß die Anti-AKW-Bewegung sich wieder auf alte Stärken besinnt, nämlich nicht auf Stellvertreter zu vertrauen, sondern selbst aktiv Politik zu gestalten. Damit fingen wir Beteiligten denn auch gleich an, indem wir zahlreiche selbstgenähte Säcke mit Sand befüllten und vor dem PKA-Tor abluden. Das gab ein lustiges Gerangel zwischen den dort aufgestellten PolizistInnen, die nur sehr halbherzig einige Säcke wieder über die Absperrgitter zurückwarfen. Vor dem Wall, der schützend das Zwischenlagergelände mit der PKA umgibt, führten zwei Hänger voll Strohballen zu einer recht infantilen Strohschlacht zwischen ausgerutschten Ordnungshütern und Kundgebungsteilnehmern, darunter auch einer Horde Kinder, bei der die Staatsmacht nicht immer souverän aussah. Zusätzlich wurden sportliche Demoteilnehmer durch "Widerstandspunkte" ermuntert, den Wall in höchster Eile zu erklimmen und wieder zu verlassen, ohne im Griff der Sicherheitskräfte hängen zu bleiben. Trotz einiger Fanatiker auf deren Seite ging der Tag ohne Verluste unsererseits mit einem Konzert in Gedelitz zuende.

Insgesamt ein Aktionstag, der Mut machte, dessen Gelingen wieder einmal dem Engagement der Wendländer gedankt werden muß und dessen einziger Wermutstropfen die Gewißheit ist, daß der Landkreis Lüchow-Dannenberg leider nicht repräsentativ für den Rest der Republik ist. Ob trotzdem eine gewisse Ausstrahlung von dort ausgeht, wird sich vielleicht bald bei dem nächsten zu erwartenden Brennelemente-Transport von einem der AKWs zur Wiederaufarbeitung zeigen. Einen Castor-Transport nach Gorleben noch in diesem Jahr hält man für sehr unwahrscheinlich, da dies Jürgen Trittin ziemlich sicher das Amt kosten würde.

(BG)