KERNspalte

Mit dem Rücktritt Lafontaines nutzt die Bundesregierung die Chance, auch ihre wenigen verbliebenen Verbesserungspläne aufzugeben. So wird auch der Ausstieg aus der Atomenergie zum langfristigen Umstieg und die Atomgesetznovelle zum "Gesamtpaket". In jenem "großen Gesamtpaket" sollen laut Trittin sogar Restlaufzeiten, Entsorgung, Beendigung der Wiederaufarbeitung und der Einstieg in andere Energieversorgungsstrukturen "enthalten" sein. Eine Atomnovelle mache dann "keinen Sinn" mehr. Dieses buisiness as usual haben sich die Stromkonzerne erhalten. Bisher wurden alle ihre Bedingungen für Konsensgespräche erfüllt. Auch in der Debatte um die nachträgliche Versteuerung ihrer Rückstellungen werden die Konzerne den Ton angeben. Als Bedingung für ein neues Zusammentreffen mit dem Kanzler haben sich die Konzerne darauf verständigt, höchstens 5 Mrd. DM Steuern statt den von der Bundesregierung geforderten 10 Mrd. zu zahlen.

Die von Trittin neu berufene Reaktorsicherheitskommission und die Strahlenschutzkommissionen werden an dieser Konstellation kaum etwas ändern. Zwar werden die beiden Kommissionen durch eine Änderung der Satzung dazu verpflichtet, einen Jahresbericht zu erstellen und künftig Einsicht in ihre Arbeit zu gewähren. Aber das wird ebensowenig Fortschritte bringen wie das Verhängen eines "Bußgeldes" für Konzerne, die den deutschen Grenzwert von vier Becquerel pro Quadratzentimeter bei Verpackung und Transport von Brennstäben mißachten. Mit einer derartigen Initiative wird nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit verkauft.

In einem kommunalen Bürgerentscheid der bayerischen Stadt Garching erreichten AtomkraftgegnerInnen einen Teilerfolg gegen die Übermacht einer kommunalen und landesweiten Lobby. Nachdem das Bürgerbegehren immer wieder behindert wurde, entschied sich vor kurzem bei einer Wahlbeteiligung von 42,5% eine Mehrheit gegen den Forschungsreaktor München II. Der FRM II ist seit 1996 in Bau. Neben den Betonhüllen sind auch die Einbauten weitgehend fertiggestellt. Die Stadtverwaltung muß nun gegen die dritte Teilgenehmigung klagen. Nach den Worten einer Aktivistin kommt das einer "Watschen" nicht für den Bürgermeister von Garching gleich.

Für den 22.3. haben Beschäftigte in Tschernobyl und vier weiteren Atomanlagen der Ukraine einen Streik angekündigt. Gehälter im Wert von über 15 Mio. US-$ stehen derzeit aus. Dies ist nicht nur aus sozialen, sondern auch aus sicherheitstechnischen Aspekten unverantwortlich. Derzeit nehmen mehr als 2.000 Menschen an Protesten teil und werden dabei von Arbeitenden aus verschiedenen anderen Sektoren unterstützt.

(us)