Kommentar

Vorwärts - nach rechts!

Mit ihm werde es keine "Politik der Nadelstiche" gegen die Wirtschaft geben, wetterte Kanzler Schröder am Kabinettstisch. Der, an den diese Warnung ging, zog tags darauf die Konsequenzen. Ergebnis: Die Eil-Meldung war noch druckfrisch, da schnellte - innerhalb von 15 Minuten - der Euro an der New Yorker Börse um zwei Cent nach oben, und der Xetra-Dax knallte gen Himmel wie die Sektkorken in den Führungsetagen des deutschen Kapitals. Und auch Schröder wird an den Krokodilstränen für den einstigen Troika-Gefährten heftig gemolken haben, denn Oskar Lafontaines Total-Rücktritt macht nun den Weg frei für die Schröderisierung der SPD.

Was die bedeutet, ist seit langem absehbar. Olle Kamellen wie "Gerechtigkeit und Solidarität", für die Lafontaine wenigstens dem Lippenbekenntnis nach stand, weichen unter Kanzler und neuem Parteivorsitzenden im Nadelstreif' vollständig den neoliberalen Parolen, die SPD wird vollständig zur Wirtschaftspartei - die FDP wittert bereits Morgenluft, an der Regierung war sie am selben Tag ja bereits wieder beteiligt, indem die SPD beim Staatsbürgerschaftsrecht den "Liberalen" nachgab und die Grünen düpierte.

Das Kapital jubiliert, daß Lafontaines "wirtschaftsfeindliche Ansätze" (BdA-Präsident Hundt) nun vom Tisch sind und mit Hans Eichel eine Marionette im Finanzministerium Platz nimmt. Zu deutlich hatte Oskar in Richtung Keynes geschielt, Ford zitiert, daß "Autos keine Autos kaufen", und war den obersten Währungshütern mit der Forderung nach niedrigen Zinsen in die Parade gefahren. Der Mann mußte einfach weg, darüber waren sich die Standortapologeten, die unverhohlenen Droher mit Abwanderung von Kapital ins Ausland, noch am Abend des Rücktritts einig. Schröders Schmus' mit ihnen kann nun ohne lästige Tugendwächter sozialdemokratischer Prinzipien weitergehen. Auf dem Sonderparteitag der SPD, der nun folgen wird, wird Schröder keine Mühe mehr haben, dem linken Flügel der Partei die Federn zu rupfen. Der Jusovorsitzenden Nahles standen die Schweißperlen bereits bei der ersten Stellungnahme zum Rücktritt auf der Stirn.

Schon einmal hat sich die SPD in einem schwelenden Streit zwischen wirtschaftshöriger Regierungsfähigkeit und reformpolitischer Utopie des immerhin Machbaren, zwischen angebots- und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik für die erstere Variante entschieden. Als 1974 Willy Brandt gehen mußte, trat Helmut Schmidt auf den Plan. Und es ist gewiß kein Zufall, daß der Schröders Mentor und Ratgeber im Hintergrund ist. Was die Großväter schon einmal ausgefochten haben, wiederholen die Enkel 25 Jahre später. Der lachende Dritte wird - wahrscheinlich noch vor Ablauf der Legislaturperiode - wie damals die CDU sein.

(jm)