Internationales

Sozialisten in der Königin-Runde

Die 80er Jahre waren für Dänemarks sozialistische Linke eine Zeit des Niedergangs. Mitglieder verließen die Organisationen, die Stimmanteile bei den Wahlen gingen immer mehr zurück. 1989 wagte man einen Neuanfang. DKP, die ehemals maoistische Kommunistische Arbeiterpartei (KAP), die trotzkistische Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) und die Linkssozialisten (VS) schlossen sich zu einem Bündnis zusammen, der Einheitsliste - Die Rot-Grünen. 1994 gelang zum ersten Mal der Einzug in den Folketing mit sechs Abgeordneten. Seitdem ist Frank Aaen finanzpolitischer Sprecher der Parlamentsfraktion. (wop)

LinX: Herr Aaen, die Einheitsliste hat 1989 als Wahlbündnis angefangen. Wie hat sie sich seitdem entwickelt?

Frank Aaen (F.A.): Unsere Mitgliedszahlen steigen. In den letzten zwei Jahren haben wir rund 600 neue Leute hinzugewonnen. Inzwischen sind es ca. 2.100, '89 waren es 1.200. Es hat als loses Wahlbündnis angefangen, in dem die Parteien den wesentlichen Einfluß hatten. Doch heute bestimmen die Mitglieder, welche Politik gemacht wird. Einige von uns sind noch in den Gründerparteien, aber das spielt keinerlei Rolle mehr in den Diskussionen und Abstimmungen. Die KAP hat sich inzwischen sogar schon aufgelöst. DKP und VS haben kaum noch eigenständige Aktivitäten. Einzig von der SAP kann man sagen, daß sie noch ein Parteiprojekt verfolgen.

LinX: Wie sehen Sie diese Entwicklung?

F.A.: Positiv. Vielleicht werden wir später mal wieder eine traditionelle linke Partei brauchen, aber im Augenblick ist die Einheitsliste eine sehr effiziente Lösung. Ich persönlich bin Mitglied der DKP, aber alle meine politischen Aktivitäten spielen sich innerhalb der Einheitsliste ab.

LinX: In der neuen Partei gibt es inzwischen auch eine programmatische Debatte.

F.A.: Ja, und ich denke, wir brauchen noch mehr davon, denn unsere Antworten sollten mehr als "Nein" sein. Unsere Projekte sind nicht genug entwickelt. Wir diskutieren z.B. Alternativen zur EU. Wir sind ganz klar gegen die Union und wollen, daß sie aufgelöst wird. Aber wir müssen besser erklären können, wie die Alternative aussieht.

LinX: Gibt es Diskussionen über Sozialismus und die Beurteilung der sowjetischen Erfahrungen?

F.A.: Es gab einige Diskussionen über die Sowjetunion. Im wesentlichen sind wir uns darin einig, daß es ein Desaster war. Natürlich haben wir unterschiedliche Auffassungen über die Ursachen und darüber, wann die Fehlentwicklungen begannen. Aber ich denke, viele unserer alten Spaltungslinien sind mit dem Fall der Berliner Mauer verschwunden.

LinX: Wachsen also die verschiedenen Traditionen zusammen? Wird es ein gemeinsames sozialistisches Programm geben?

F.A.: Ich hoffe. Aber die Einheitsliste ist sehr breit angelegt. Sehr unterschiedliche Meinungen sind möglich, und ich denke, wir sollten das so lassen. In Sachen sozialistischer Programmatik sollte nichts forciert werden. Dennoch können wir eine ganze Menge gemeinsamer Ideologie entwickeln. Das soll nicht ausschließen, daß wir in der Zukunft vielleicht wieder eine mehr traditionelle, einheitlichere Partei brauchen. Aber im Augenblick ist es wirklich zu früh, darüber zu urteilen. Vorstellbar wäre allerdings, daß es in der Zukunft verschiedene Parteien und Bewegungen gibt, deren gemeinsame parlamentarische Plattform nach wie vor die Einheitsliste ist, während die Ideologie-Produktion in den Parteien abläuft. Aber im Augenblick sollten wir uns auf die Einheitsliste konzentrieren.

LinX: Auf der Jahreskonferenz der Einheitsliste waren sehr wenig Immigranten zu sehen.

F.A.: Das stimmt. Immigranten sind nicht besonders gut integriert in Dänemark, das spiegelt sich auch bei uns wider. Aber immerhin ist einer unser Spitzenkandidaten Einwanderer. Kemal Koc hat gute Chancen, bei den nächsten Wahlen ins Parlament zu kommen, was eine Premiere wäre.

LinX: Stichwort Parlamentsarbeit: Die Einheitsliste stützt die gegenwärtige sozial-liberale Minderheitsregierung?

F.A.: Nicht ganz. In der Königin-Runde haben wir nach den letzten Wahlen dafür votiert, daß den Sozialdemokraten der Auftrag zur Regierungsbildung gegeben wird. Das heißt aber nicht, daß wir immer mit ihnen stimmen. Sie suchen sich ihre Mehrheiten von Mal zu Mal zusammen. Die Regierung wird übrigens nicht vom Parlament gewählt, sondern von der Königin eingesetzt. Der Folketing hat allerdings jederzeit die Möglichkeit, die Regierung mit einem Mißtrauensvotum zu stürzen.

Im letzten Jahr hat die Regierung eine Steuerreform ausgearbeitet, die wir unterstützt haben, da sie tatsächlich eine Umverteilung von oben nach unten vorsah. Aber danach hat sie zusammen mit den Konservativen und Rechtsliberalen eine Reihe von Kürzungen beim Sozialen durchgesetzt, und gegen die haben wir natürlich gestimmt.

LinX: Es heißt, die Sozialdemokraten hätten mit den Kürzungen beim Vorruhestand ihre Wahlversprechen gebrochen.

F.A.: Ja. Das hat für viel Wirbel gesorgt und sie reichlich Unterstützung gekostet. In den Meinungsumfragen sind sie auf einen historischen Tiefstand abgesackt. Gäbe es morgen Neuwahlen, hätten wir mit ziemlicher Sicherheit eine konservativ-rechtsliberale Regierung.

LinX: Angenommen, die Konservativen würden diese Situation ausnutzen, um Neuwahlen per Mißtrauensantrag zu erzwingen. Würden Sie gegen die Regierung stimmen, die so viele unsoziale Maßnahmen durchgesetzt hat?

F.A.: Das kommt darauf an. Wenn wir damit Kürzungen aufhalten können, werden wir gegen die Regierung stimmen, auch wenn sie darüber stürzt. Einem Mißtrauensantrag ins Blaue hinein würden wir nicht zustimmen. Das hieße nur, daß wir die sozialdemokratische durch eine bürgerliche Regierung ersetzen, oder sagen wir eine original bürgerliche, denn die Sozialdemokraten sind auch bürgerlich. Das würde keinen Sinn machen. Die Leute sind natürlich sauer auf die gegenwärtige Regierung, aber zumindest unsere Wähler sind auf die Konservativen und Rechtsliberalen noch schlechter zu sprechen.

LinX: Das hört sich nach viel parlamentarischem Taktieren an. Wie sieht die Einheitsliste das Verhältnis zwischen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Arbeit?

F.A.: Für uns ist die außerparlamentarische Arbeit am wichtigsten. Wenn man die politische Diskussion im Parlament verändern will, dann geht es nur mit starken außerparlamentarischen Bewegungen. Ohne die machen die bürgerlichen Parteien inklusive der Sozialdemokraten und manchmal auch der Sozialistischen Volkspartei, was sie wollen, egal ob die Einheitsliste mit fünf oder fünzehn Abgeordneten im Parlament sitzt.

LinX: Eine sozialistische Organisation wie die Einheitsliste in der Königin-Runde, geht das gut? Wie stehen Sie zur Monarchie?

F.A.: Wir sind Republikaner, keine Frage. Jedes Jahr, wenn die Königin das Parlament besucht, um der Eröffnungsrede des Premiers beizuwohnen, bleiben wir der Zeremonie fern. Auf diese stille Weise demonstrieren wir unsere prinzipielle Ablehnung. Aber in Dänemark ist das kein besonders beliebter Standpunkt. Die Königin ist extrem populär.

LinX: Vielen Dank für das Gespräch.