Kommentar

"Wollt ihr den totalen Krieg?"

"Grünes Licht für Nato-Schlag" titelten die "Kieler Nachrichten" und reihten sich damit ein in die Front der Multimedien, die in bisheriger Ermangelung von Bildern startender Nato-Flugzeuge seit Wochen den Krieg im Kosovo ersehnen. Am Dienstagabend dann im "heute journal" die weitere mediale Vorbereitung des "Zugriffs", endend mit dem klassischen Cliffhanger, daß in "heute nacht" hoffentlich die ersten Bilder eines bombardierten Belgrads zu sehen sein würden.

Die Ironie des Mediums war kurz zuvor auf dem gleichen Kanal zu sehen gewesen, in Bernd Schadewalds filmischer Verarbeitung des "Gladbecker Geiseldramas". Auch dort hatten die Medien sehnsüchtig auf den gewaltsamen Zugriff gewartet und sich die dies rechtfertigenden Bilder zuweilen sogar selbst verschafft. "Halten Sie der Geisel bitte nochmal die Pistole an den Hals", hatte ein Kameramann einen der "Geiselgangster" beauftragt. Und wer der Behauptung von Schadewalds Film, daß die Medien am Tod zweier Geiseln mitschuldig waren, nicht folgen mochte, konnte sich in der folgenden Nachrichtensendung eines "besseren" belehren lassen.

Der, auf den die Kanonen von Nato und westlichen Medien gerichtet sind, der jugoslawische Präsident Milosevic, nutzt die mediale Kriegstreiberei hingegen nicht minder virtuos. Der Nato-Schlag ist für ihn das beste, was ihm passieren kann, um als Märtyrer die groß-serbischen Nationalisten hinter sich zu scharen. Die bis hin zur unverhohlenen Hetze einseitig berichtenden westlichen Medien machen sich somit nolens volens zu Helfershelfern des von ihnen zum "Diktator" stilisierten Serben.

Daß indes der Krieg noch weiter von der Lösung des Konflikts wegführen wird, ist eine solche Binsenweisheit, in zahllosen Beispielen von Vietnam bis Irak bewiesen, daß dies schon niemand mehr zu behaupten wagt. Das mediale Trommelfeuer für den "unausweichlichen" Krieg ist übermächtig. So verwundert es nicht, daß es auch gegen diesen Krieg der neuen Weltordner keinen linken Widerstand geben wird. Wer sich heute mit Transparenten oder Infoständen auf die Straße stellt, wird bestenfalls mitleidiges Kopfschütteln von 99% der Passanten ernten. Und nicht einmal bei dem verbleibenden Hunderstel, das sich einmal pazifistischen Ideen oder "Hirngespinsten" wie einem Konfliktmanagement à la OSZE verschrieben hatte, dürfte sich Einigkeit darüber erzielen lassen, daß der Nato-Krieg im Kosovo ohne Wenn und Aber zu verurteilen ist.

Zu groß sind die Versäumnisse der "Friedensbewegung" in den letzten Jahren, die dem Krieg der Medien das Feld fast kampflos geräumt hat. Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Und als überzeugter Antiimperialist und Antimilitarist wird man sich - ohne Defätist zu sein - für eine lange Zeit auf die Rolle des bloßen Zuschauers einrichten müssen, der sich allenfalls noch in Kommentaren wie diesem gegen die Übermacht der Kriegstreiber stellt - nicht mehr weit entfernt von zynischer Resignation.

(jm)