Kommentar

Die Grüne Hypothek

Diese Regierung ist ein Glücksfall für die deutsche Bourgeoisie. Erklärtermaßen von der Geschichte "unbelastet", tritt sie in die Fußstapfen oder besser - ausgetretenen Pfade deutscher Balkan- und Osteuropapolitik. Jahrzehntelange Opposition, antifaschistische Traditionen und - im Falle der Grünen - Herkunft aus der Friedensbewegung lassen ihr Spiel auf der Menschenrechts- und Minderheitenschutzklaviatur glaubwürdig erscheinen. Hätten Kohl und Rühe gewagt, diesen Krieg vom Zaun zu brechen, so hätten die Basis der Grünen und auch so mancher Sozialdemokrat zu den ersten gehört, die auf die Straße gegangen wären. Ohne Frage wäre es um einiges leichter gewesen, gegen die Nato-Aggression zu mobilisieren.

Doch wie die Dinge stehen, sorgt die Tatsache, daß das erste deutsche Kriegs-Kabinett nach 1945 ein "linkes" ist, in erheblichen Teilen der Öffentlichkeit für Desorientierung. Erste Aktionen der NPD unter der Losung "Gegen Bomben - für Arbeitsplätze" mögen ein Hinweis darauf sein, wie verheerend die Nachwirkungen des Endes des Grünen Projekts in Zukunft noch sein könnten, gelingt es der Linken nicht, die Opposition gegen den Krieg zu mobilisieren und diejenigen, die jetzt die Grünen und vielleicht auch die SPD verlassen, einzubinden.

So oder so wird die in der jüngeren deutschen Geschichte beispiellos rasante Preisgabe aller wesentlicher programmatischer Grundsätze, die die Grünen der atemlosen Öffentlichkeit vorführen, für die Linke eine Hypothek darstellen. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Die Grünen gelten noch immer als links. Ihr Umfallen und ihre Prinzipienlosigkeit schlagen auf uns zurück.

Bleibt die Frage, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Der Rückzug in eine Position des Schon-immer-besser-gewußt-haben, den einige mal wieder antreten, bietet vielleicht für den Einzelnen eine gewisse, ganz persönliche Befriedigung, aber politische Perspektive hat er mitnichten. Die verbleibenden Linken werden sich fragen lassen müssen, ob sie v.a. Seelenfrieden und reine Weste erhalten, oder ob sie eine Politik betreiben wollen, die dem deutschen Imperialismus ernstahft in den Arm fällt. Für letzteres aber wird man Bündnisse schließen müssen, für die es weniger wichtig ist, ob der eine oder andere noch in einer der Regierungsparteien ist, als wie man die Position der Bundesregierung schwächen kann. Moralische Empörung ist noch keine linke Politik.

(wop)