Kultur

Exploding Lautréamont

Filmgruppe Chaos mit Super-8-Inferno im Eichhofkino

"Bewaffne dich mit deinem eigenen Film!" Diese radikalmediendemokratische Forderung der britischen Underground-Filmbewegung "Exploding Cinema" hat auch die Kieler CHAOS Filmgruppe bereits mehrfach umgesetzt (u.a. in der Tanzdiele). Am 15.5. ab 21.15 Uhr sind die Chaosfilmer im Eichhofkino zu Gast, mit einem "flammenden Inferno auf Super-8 und Video, einem Blitzkrieg der andersartigen Unterhaltung, einem Bombardement mit Perlen der No-Budget-Szene". Wie üblich kann jede/r seinen/ihren Kurzfilm auf Super-8 oder VHS-Video (auch S-VHS) mitbringen und ohne Vorzensur zeigen. Für das Rumpfprogramm sorgt Zelluloid von Chaos-Film und Londoner Alliierten.

(Foto: Markus Steffen)

Grund der Veranstaltung ist nicht nur die Pflege des untergründigen Filmguts, sondern diesmal sollen auch noch ganz andere humanistische Maßnahmen herbeigebombt werden. Die Einnahmen dienen als Benefiz für ein außergewöhnliches Filmprojekt: "Das ist das Finsterste, was ich je gelesen habe", sagt Karsten Weber, Mastermind der Chaos-Filmer, über den Collage-Roman "Die Gesänge des Maldoror" des 1870 mit 24 Jahren gestorbenen französischen Dichters Isidore-Lucien Ducasse alias Compte de Lautréamont. 12 Kapitel des weitgehend unbekannten aber nicht weniger als Baudelaires "Blumen des Bösen" für die Moderne wegweisenden Werkes haben sich 12 Filmgruppen aus England und Deutschland ausgesucht, um sie auf Super-8 zu adaptieren.

Obwohl - oder vielleicht gerade weil - die Idee in der Explosion einer Bierlaune geboren wurde, fand Weber bei der Kulturellen Filmförderung S.-H. offene Ohren und Portemonnaies für das No-Budget-Projekt, zumindest für dessen Distribution. Für einen Blow Up auf 16 mm und den Verleih in einer englischen und deutschen Version wurden bereits Mittel zur Verfügung gestellt. Dennoch braucht auch "No-Budget" ein kleines Budget. Und das soll jetzt durch eine Benefiz-Tour mit Kurzfilmen der beteiligten Gruppen eingespielt werden. Bei der Premiere des Benefiz-Programms in der Medienmetropole Köln vor zwei Monaten rannte man den Schmalfilmern bereits die Bude ein. Im Kieler Eichhofkino wird es nicht anders sein, hofft Karsten Weber.

Lautréamonts Werk eignet sich besonders für das Multi-Künstler-Unternehmen, weil es selbst eine Montage ist. Im für das 19. Jahrhundert typischen Stil wird der Leser direkt angesprochen, was durch einen im Off gesprochenen Text realisiert wird. Für die deutsche Version hat Weber dafür den Kieler Autor Feridun Zaimoglu gewonnen. Der gesprochene Text wird den Filmgruppen als inspiratives Material zur Verfügung gestellt, und sie machen dann daraus einen etwa 7 Minuten langen Streifen. Die Premiere ist für den Herbst geplant. Daß dabei die trashige Philosophie des "Exploding Cinema" und hemmungsloses Zitieren und "Filmsampling" nicht zu kurz kommen, dafür sorgt nicht zuletzt Lautréamonts kongeniale Aufforderung "Plagiaterie ist notwendig!"

(jm)