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Flexi auch in Japan

Unter Japans Gewerkschaften macht sich Unruhe breit. Der Wirtschaft des Landes steht angesichts erheblicher Überkapazitäten eine Welle von Umstrukturierungen und Entlassungen bevor. Nach einer jüngst veröffentlichen Umfrage unter Unternehmen des Inselstaates klagen fast alle Betriebe, unabhängig von ihrer Größe, über zu große Belegschaften. Für das laufende Geschäftsjahr, das nach japanischer Rechnung am 1. April beginnt, sind 9,4% weniger Ausrüstungsinvestitionen geplant, als im Vorjahr. In vielen Unternehmen stehen Entlassungen auf der Tagesordnung. Der Elektronik-Konzern Sony plant z.B., die Zahl seiner weltweit Beschäftigten um 10%, d.h. 17.000 zu reduzieren.

Unterdessen haben sich die Geschäftserwartungen im verarbeitenden Gewerbe zum ersten Mal seit zwei Jahren leicht gebessert. Die Zahl der Unternehmen, die von einem ungünstigen Geschäftsumfeld sprechen, liegt nur noch bei 47% gegenüber 49% im Dezember. Die optimistischere Stimmung wird u.a. auch auf den schwächeren Yen zurückgeführt, der Japans Export-Position stärkt, gleichzeitig aber negative Auswirkungen auf die Ökonomien der Nachbarländer hat.

Relativiert wird der Stimmungsanstieg dadurch, daß die Minus 49 des vorhergehenden Quartals den schlechtetsten Wert seit über 5 Jahren dargestellt haben. Die Erhohlung findet also auf denkbar niedrigem Niveau statt. Entsprechend streiten sich die Analysten, ob schon davon gesprochen werden kann, daß die Talsohle erreicht wurde. Bei der Bank of Japan hält man die Datenlage für nicht ausreichend, um sich ein Urteil zu bilden. Die Regierung hofft aber immerhin, nach zwei Jahren die Zeiten schrumpfenden Bruttoinlandsprodukts hinter sich lassen zu können und in diesem Jahr wieder ein Plus von 0,5% zu erzielen. Nippons Ökonomen sehen allerdings weniger optimistisch in die Zukunft: Eine Umfrage unter den führenden Wirtschhaftsinstituten des Landes ergab, daß im Durchschnitt mit einem weiteren Rückgang von 0,8% gerechnet wird.

Entsprechend steigt die Arbeitslosenquote weiter. Im Februar lag sie offiziell bei 4,6%, 0,2 Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Nach Ansicht des Direktors der staatlichen Planungsbehörde könnte die Rate demnächst schon bei 5% liegen. 3,13 Mio. Arbeitslose vermeldet die amtlich Statistik derzeit, doch ihre Zahl dürfte in Wirklichkeit wesentlich höher liegen. Nicht zuletzt im Banken- und Versicherungsgewerbe haben in letzter Zeit viele Angestellte, überwiegend Frauen, ihren Arbeitsplatz verloren.

Die Unternehmen nutzen die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt, um Druck auf die Löhne auszuüben. Obwohl die diesjährigen Lohnforderungen "die niedrigsten in der Geschichte" sind, so Etsuya Washio vom Gewerkschaftsbund Rengo, versuchen die Betriebe, "Arbeitsplatzsicherheit gegen Löhne auszuspielen". Besonders im Sektor der Teilzeitarbeit, in dem zu 70% Frauen beschäftigt sind, gibt es bereits Lohnkürzungen von manchmal über 10%. Auch mit zunehmenden Forderungen nach Flexibilisierungen sehen sich die Gewerkschaften konfrontiert. "Hinter dem Schlagwort 'Verflüssigung der Arbeit', das man in letzter Zeit oft hört, verbirgt sich lediglich das Entlassen älterer Mitarbeiter und die Ausweitung von Teilzeit- und Leiharbeit", heißt es in einer Studie von Rengo, der mit seinen ca. 8 Mio. Mitgliedern bisher eine sehr gemäßigte Politik verfolgt hat.

Besondere Sorgen macht man sich über ein Zeitarbeiter-Gesetz, das derzeit im Parlament debattiert wird. Das und die Pläne, private Arbeitsvermittlungen und -Tauschbörsen einzurichten, so Washio "wird die bisherige Organisation des Arbeitslebens in Japan destabilisieren".

(wop)