Kommentar

Kleinarbeit statt Rechthaben

Mit zunehmender Dauer des Krieges und dem Dahinschwinden der Argumente werden die Töne schriller. Selbst gemäßigte Kriegsgegner wie Gysi werden von Fischer als "fünfte Kolonne Belgrads" diffamiert. Wieder und wieder müssen der deutsche Faschismus und gar Auschwitz herhalten, um den Krieg zu rechtfertigen. Ganz nebenbei entsorgen sozialdemokratische und grüne Minister so auch die deutsche Geschichte. Daß man sich die nicht mehr vorhalten lassen möchte, hatte Schröder ja bereits bei Amtsantritt deutlich gemacht.

Die Anfeindungen gegen die PDS im Bundestag geben einen Vorgeschmack darauf, was mit zunehmender Eskalation auf die Linke und überhaupt jeden zukommen wird, der es wagt, den Mund aufzumachen. Zu jedem Krieg gehört auch die Errichtung einer Heimatfront. Das sollten sich v.a. jene Sozialdemokraten und Grüne merken, die sich gerade hinter ihren Parteiführern sammeln. Nicht, daß sie sich nachher beklagen, wenn bei Mehrwertsteuer, Sozialabbau, Niedriglöhnen, Atomtransporten, Privatisierung und was noch alles im Gruselkatalog des BDIs steht, der Durchmarsch kommt.

Es gibt allerdings mehr Menschen, als gemeinhin angenommen, die diesen Zusammenhang sehen - oder zumindest erahnen - und die v.a. die Angst vor einer Eskalation umtreibt. Besonders unter den Älteren. Die Linke täte also gut daran, sich nicht aufs Rechthaben oder "Alles Zombies"-Schreien zu konzentrieren, sondern an dieses Unbehagen anzuknüpfen. Vor allem müßte sie, was seit Jahren bei den meisten vollkommen aus der Mode gekommen ist, mal wieder aus dem eigenen kleinen Getto heraus und auf die Menschen zugehen. Z.B. auf die Gewerkschaftsgruppe in dem Betrieb, in dem man arbeitet. Denn eins ist klar: Der Einsatz von Bodentruppen, der Trotz aller Dementis immer wahrscheinlicher wird, und eine Ausdehnung des Krieges kann, wenn überhaupt, nur durch eine massenhafte Mobilisierung in den Betrieben und Büros (in Deutschland und in den anderen NATO-Ländern) verhindert werden. Das mag im Augenblick noch reichlich utopisch klingen - und die Chancen stehen auch nicht allzu gut. Aber die Alternative zu dieser ermüdenden Basisarbeit kann nur sein, sich - stumm oder wortreich - in die Ecke zu setzen, um hinterher Recht gehabt zu haben. Ob das dann jemanden interessieren wird?

(wop)