Internationales

Südkorea:

Funke übergesprungen

Mit einem martialischen Aufgebot löste Südkoreas Bereitschaftspolizei am Abend des 25.4. eine Versammlung streikender Arbeiter auf. Wasserwerfer, Hubschrauber und Tränengas waren im Ensatz, als die Beamten die National-Universität in Seoul stürmten, wo sich 4.000 U-Bahn-Arbeiter seit Beginn vorletzter Woche verbarrikadiert hatten. Vertreter des demokratischen Gewerkschaftsdachverbandes KCTU sprachen von einer kriegsähnlichen Situation. Die Polizei sei mit äußerster Brutalität vorgegangen. Die Arbeiter der U-Bahn-Werkstätten hatten sich im Amphitheater der Universität versammelt, einem traditionsreichen Ort, der eng mit dem Kampf der Studenten gegen die Diktatur in den 80ern verbunden ist. Weitere 1.500 Menschen, v.a. die Fahrer, hatten bereits am 19.4. an der Myungdong Kathedrale im Zentrum Seouls ein Kamp errichtet. Insgesamt befinden sich rund 7.500 Arbeiter und Angestellte der U-Bahn im Streik.

Sie folgten damit einem Aufruf des Verbandes der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes KPSU, zu dem ihre Betriebsgewerkschaft gehört. Die KPSU macht mobil gegen Privatisierung und die Abwälzung der Krisenfolgen auf die Schultern der Arbeiter. Besonders wehren sich die U-Bahner gegen die angedrohte Entlassung von 2.078 Arbeitern (18% der gegenwärtigen Beschäftigtenzahl) und gegen Pläne zur Umstrukturierung des Unternehmens. Im Zentrum steht die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit von 44 auf 40 Stunden, was nach Berechnungen der Gewerkschaft ca. 1.800 neue Arbeitsplätze schaffen würde. Das Paket des Managements sieht dagegen längere Arbeitszeiten bei gleichzeitiger Flexibilisierung vor. Damit liegt es ganz auf der Linie des Unternehmerverbandes und der Regierung, die in derartigen Maßnahmen im Einvernehmen mit dem Internationalen Währungsfond den Ausweg aus der Krise sehen. Die Gewerkschaften klagen auch darüber, daß mit dem Umstrukturierungsprogramm einseitig frühere Vereinbarungen gebrochen werden.

Statt auf die Forderungen der Gewerkschaften nach Verhandlungen einzugehen, setzen Management und Regierung unterdessen auf Konfrontation. Bereits die Versammlungen, in denen am 18. und 19. in den Betriebshöfen über den Streik abgestimmt wurde, waren von Bereitschaftspolizei umstellt worden. In den darauffolgenden Tagen wurden Regierungsangestellte und Eisenbahner als Streikbrecher eingesetzt. Auch bei den Lok-Herstellern des Landes forderte man Mechaniker an. Dort verweigerten allerdings die gewerkschaftlich Organisierten Streikbrecherdienste.

Bereits zum 21.4. hatte das U-Bahn-Management den Streikenden ein Ultimatum gestellt, das ergebnislos verstrich. Darin wurden den Arbeitern disziplinarische Maßnahmen angedroht. Die örtlichen Behörden gingen sogar einen Schritt weiter und forderten die Entlassung aller, die nicht zu Arbeit zurückkehren. Selbst Präsident Kim Dae-jung, der eine Ausweitung der Streiks befürchtet, mischte sich ein und erklärte den Streik für illegal. Entsprechend erließ die Provinz-Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen den KPSU-Vorsitzenden Yang Kyung-kyu und seinen Stellvertreter. Weitere Haftbefehle gegen 66 Funktionäre und Aktive der U-Bahn-Gewerkschaft hatte es bereits am Tag nach Ausrufung des Streiks gegeben. In dem ostasiatischen Land sitzen, auch nachdem die langjährige Identifikationsfigur der demokratischen Opposition, Kim Dae-jung, zum Präsidenten gewählt wurde, mehrere Hundert Gewerkschafter in den Gefängnissen oder werden per Haftbefehl gesucht.

Die Angst der Regierung vor Ausweitung der Streiks ist durchaus berechtigt. Bei verschiedenen Radio- und Fernsehsendern haben bereits erfolgreiche Urabstimmungen über weitere Streiks statgefunden. Hier gehen die Auseinandersetzungen v.a. um Privatisierungs- und Auslagerungspläne. Auch bei der koreanischen Telecom, die ebenfalls unter den Hammer soll, ergab eine Urabstimmung eine große Mehrheit für Streik. Kurz nach Redaktionsschluß der LinX soll es losgehen. Weitere Mitgliedsgewerkschaften der KPSU im Gesundheitswesen und in der Wissenschaft befinden sich bereits im Streik oder bereiten sich konkret vor. Auch hier geht es um Kürzungen und Entlassungen als eine Folge der vom IWF diktierten Sparpolitik.

Auch in der Industrie braut sich einiges zusammen. Mitte vorletzter Woche machte der Daewoo-Konzern mit der Ankündigung von sich reden, seine Werft an japanische Interessenten verkaufen zu wollen. Außerdem wurde die Entflechtung des Konzerns in Aussicht gestellt. Firmenteile sollen verkauft werden, um Schulden zu bezahlen. Bei den Arbeitern, die Entlassungen befürchten, stießen die Ankündigungen auf starken Widerstand. In mehreren Betrieben kam es zu spontanen Streiks. Die unerwarteten Eröffnungen des Daewoo-Chefs Kim Woo-choong, heißt es in der Seouler KCTU-Zentrale, waren gerade der Funken, der noch fehlte, um den seit langem schwelenden Konflikt in der Metallindustrie zum Ausbruch zu bringen. Die Kampagne des Gewerkschaftsbundes würde dadurch noch an Moment gewinnen.

Der Dachverband KCTU hat sich bereits Ende Februar enttäuscht aus den gemeinsamen Verhandlungen mit Unternehmern und der Regierung verabschiedet. Man fühlte sich über den Tisch gezogen. Seitdem wird eine neue Offensive gegen Massenentlassungen und Flexibilisierungspläne der Unternehmer vorbereitet. Anfang des Monats hatte man zu diesem Zweck auch Kontakte zu Bauern-Organisationen und anderen sozialen Bewegungen aufgenommen. Den nächsten Schritt soll ein Generalstreik am 1. Mai mit Demonstrationen im ganzen Land bilden.

(wop)