Globale Erwärmung in einer ungleichen Welt

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Das Klimasystem der Erde erwärmt sich zusehend. 1995 war das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen (siehe Grafik). An diesen Fakten konnte auf der letzten Freitag in Genf beendeten Klimakonferenz keiner vorbei. In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich zudem unter Forschern die Erkenntnis durchgesetzt, daß der aktuelle Temperaturanstieg aus dem Rahmen der natürlichen Klima-Variabilität fällt und der Zunahme bestimmter Spurengase zuzuschreiben ist. Als Schuldiger wird vor allem das Kohlendioxid (CO2) identifiziert, welches das wichtigste Treibhausgas darstellt. Seit Beginn der Industrialisierung hat sich dessen atmosphärische Konzentration um etwa 28% erhöht. Als weiterer Missetäter wird Methan genannt, das aus Mülldeponien, Reisfeldern und lecken Gasrohren entweicht.

Trotz der zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die belegen, daß wir bereits mitten in einem hausgemachten Klimawandel sind, tun sich einige Staaten noch immer schwer, das zu akzeptieren. Zu stark scheinen die wirtschaftlichen Interessen rund um die Verbrennung von Erdöl und Kohle zu sein, der Hauptquelle des CO2. Von Seiten der entsprechenden Interessengruppen ist immer wieder zu hören, daß man weitere Forschung brauche. „Es bleibt genug Zeit, optimale Strategien zu entwickeln“, mahnten Anfang Juli führende Vertreter der US-amerikanischen Wirtschaft ihre Regierung zum Nichtstun. Sie seien tief beunruhigt, die Verhandlungen könnten zu voreiligen Abmachungen führen. Die US-Regierung hat sich allerdings erstmalig während der Verhandlungen vom Druck der Öl- und Kohlelobby freigemacht und angekündigt, man sei jetzt auch für rechtlich verbindliche Reduktionsziele für die Zeit nach der Jahrtausendwende.

Das wohl originellste Verzögerungszitat der am Freitag abgeschlossenen Verhandlungsrunde lieferte der Vertreter Riads in der Arbeitsgruppe für wissenschaftliche und technische Fragen: Man könne doch unmöglich, so der Saudi, auf den bestehenden Erkenntnissen Politik aufbauen, denn wer weiß, vielleicht stünde ja im nächsten Bericht des UN- Wissenschaftlergremiums IPCC, daß mit einer globalen Abkühlung zu rechnen sei.

Saudi Arabien wie auch Kuwait - das sollte man dabei wissen - wurden von der amerikanischen Industrie-Lobby gedrängt, der Klimakonvention beizutreten. Um zu blockieren. Das taten sie denn auch recht erfolgreich: Auf der Berliner Klimakonferenz kam entgegen der ursprünglich in Rio ins Auge gefaßten Planung keine Konkretisierung der Konvention zustande. Die Beschlüsse wurden um zweieinhalb Jahre auf den Kyotoer Gipfel verschoben.

Angesichts dieser Störmanöver ist es als ein nicht unwesentlicher Fortschritt zu werten, daß in der ministeriellen Erklärung, auf die man sich schließlich einigte, die Berichte des IPCC ausdrücklich als eine Grundlage der Verhandlungen erwähnt werden.

Weniger Geduld mit den Verhandlungen als einige Industrie- und OPEC-Länder haben die kleinen Inselstaaten. Einige von ihnen wären durch den Anstieg des Meeresspiegels, der bei höheren Temperaturen erwartet wird, in ihrer Existenz bedroht. Ohne Ausnahme alle müssen sie, wie auch die tropischen Küstenstaaten, verheerende Folgen für ihre Gesellschaften befürchten, wenn die Zahl der tropischen Stürme zunimmt, wie es die meisten Klimatologen voraussehen. Die Vereinigung kleiner Inselstaaten (AOSIS) wiederholte daher in Genf ihre dringenden Appelle an den reichen Norden, schnell zu handeln.

Zeit zum Handeln sehen auch die Inuit, die Eskimos, gekommen. Rosemarie Kuptana, Sprecherin der Inuit-Circumpolar-Konferenz, in der sich die Eskimos Rußlands, der USA, Kanadas und Grönlands zusammengeschlossen haben, machte in Genf deutlich, weshalb: „Schon heute können die Jäger Veränderungen in unserer Heimat feststellen: Das Meereis verliert seine Farbe und wird dünner, die offenen Stellen verändern sich, Tiere tauchen auf, die wir nie zuvor bei uns gesehen haben.“ Für die Zukunft haben die Arktisbewohner noch wesentlich Schlimmeres zu erwarten. Alle Klimamodelle sagen voraus, daß die Erwärmung im extremen Norden bei weitem am stärksten sein wird. Klima- und Vegetationszonen würden sich dramatisch verschieben. Weite Permafrostgebiete würden auftauen und Methan freisetzen. Kein Modell hat bisher berechnet, um wieviel dieses Gas den Treibhauseffekt verstärken könnte. Die Vertreterin der Inuit verlangte daher, als ersten Schritt schon bis 2005 die CO2-Emissionen um 20% zu reduzieren

Weshalb sich alle Forderungen an den Norden richten demonstrierte IPCC-Vorsitzender Bert Bolin. „In den Entwicklungsländern wird derzeit eine halbe Tonne CO2 pro Kopf und Jahr emittiert. Dagegen sind es in den Industrieländern im Schnitt fünf- bis sechsmal soviel. (...) Das Bevölkerungswachstum eingerechnet können wir uns aber auf Dauer global gemittelt nur Emissionen von 1,3 Tonnen leisten, wenn die CO2-Konzentration stabilisiert werden soll.“ Mit anderen Worten: Staaten wie Deutschland, das jährlich 10,8 Tonnen pro Kopf in die Luft bläst, müssen noch wesentlich mehr als die von der Bundesregierung versprochenen 25% vermeiden, will man die Lasten gerecht verteilen.

Doch bis sich diese Sicht der Dinge in den internationalen Verhandlungen durchgesetzt hat, wird es noch ein langer Weg sein. Hoffentlich kein zu langer, denn mit jedem Tag, an dem das verträgliche Maß überschritten wird, steigt unweigerlich die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre.

(wop)