Ratssplitter

Die Grünen können's nicht lassen. Zum Leidwesen der großen neoliberalen Koalitionäre fordern sie immer wieder basisdemokratische Elemente für die Selbstverwaltung der Stadt. Diesmal (in der Ratsversammlung vom 14.5.) beantragten sie die "Einrichtung einer zentralen Anfrage- und Beschwerdestelle". Diese Stelle soll "BürgerInnen und EinwohnerInnen Kiels die Möglichkeit geben, schnell und unbürokratisch Nachfragen, aber auch Proteste zu sie konkret betreffenden Auswirkungen städtischer Verwaltung und Politik zu äußern", so der Antragstext. Gott und Germania sei Dank, ist da unser aller OB davor. Der wurde ob solchen Antrags fuchsig. "Sowas gibt's doch längst", meinte er zu wissen. Jeder könne sich an ihn direkt wenden, er beantworte "garantiert jeden Brief persönlich". Außer "vorgefertigte Massenbeschwerden", die von Interessengruppen verteilt würden und wo man nur noch "'ne Unterschrift druntersetzt". Für jede Gruppe sei da doch was: "Wir haben eine Frauenbeauftragte, die für die Hälfte der Bevölkerung zuständig ist", so der OB voller Sachverstand für die lästige Selbstverwaltung. Überdies gebe es von all den Beratungsangeboten sowieso schon viel zu viel: "Wir beraten uns tot. Wir geben Geld aus für Beratungen, die dem Beratenen sagen, daß wir ihm nicht helfen können." Daß die Staatsverschlanker in "bürgernaher" Verwaltung entgegen aller Demagogie von der "Dienstleistung Verwaltung" eine Bedrohung ihrer Macht sehen, machte CDU-Ratsherr Tschorn noch deutlicher: "So ein Amt bewirkt doch nur, daß da pausenlos Querulanten und Nörgler kommen." Der grüne Antrag hatte keine Chance. Denn wisse: Wer seine demokratischen Rechte wahrnehmen möchte, ist nichts als ein Querulant. Die grünen Nörgler mögen fortan ihr Maul halten.

Das Verfassungsgericht hat gesprochen, die Kieler CDU will handeln. Nach dem Karlsruher Urteil gegen die Verpackungssteuer (LinX berichtete) wollte die CDU in der Ratsversammlung vom 14.5. die Kieler Verpackungssteuersatzung mittels Dringlichkeitsantrag kassieren, rechtzeitig zur Kieler Woche, auf deren Freßmeilen nun wieder ein riesiger Müllberg aus Einweggeschirr drohen könnte. Zwar stetzt das Urteil des BVG zunächst nur die Kasseler Satzung außer Kraft, aber der CDU ist das Kieler Pendant sowieso ein Dorn im Auge. Also schnell abschaffen, bevor da noch einer im juristischen Kaffeesatz liest. SPD-Ratsherr Kirkskothen tat genau das. Vorsorglich sei die Steuer wegen des anhängigen Verfahrens gar nicht eingetrieben worden. Es müsse erst noch geprüft werden, wie das BVG-Urteil genau auszulegen sei. Auch Jurist Arne Wulff wußte nichts näheres über das Urteil, dennoch sollte die Satzung in vorauseilender Verfassungstreue weg. Der Antrag der CDU wurde in den Hauptausschuß verwiesen.

(jm)