Antifaschismus

Rechtsruck im Studierendenparlament

Der Kieler RCDS ist doch immer wieder eine Meldung wert. Ende Januar erlangte er vermittels der Deutschen Hochschulgilde Theodor Storm zu Kiel überregionale Aufmerksamkeit. Damals hatte die Gilde den Ökonazi Baldur Springmann zu einer Veranstaltung in das AudiMax an der Kieler Uni eingeladen, bei der eine Abteilung des militant neonazistischen "Freiheitlichen Volksblocks" (FVB) um den Deutsch-Studenten Sven Lörchner als Saalschutz auftrat (LinX berichtete). Der RCDS kam ins Gerede, weil die Gilden-Mitglieder fast komplett in der Studierendenorganisation der CDU organisiert sind.

In der Folge wurde erstmals auch verbandsinterne Kritik laut. So äußerte sich am 4.3. der ehemalige RCDS-Chef Jörn Linnertz in den "Lübecker Nachrichten": "Freilich wäre der RCDS nunmehr gut beraten, wenn er Ausschlußverfahren ernsthaft prüfte." Nichts ist in dieser Richtung geschehen, sondern umgekehrt: Die konservative Fraktion innerhalb des RCDS verläßt resigniert den Laden und überläßt das Feld den extremen Rechten. Mittlerweile sind neun Personen, darunter der Fraktionsvorsitzende im StuPa, Henning Nawotki, sowie die stellvertretenden Landes- und Unigruppenvorsitzenden Melanie Siemen und Sonja Moritz aus dem RCDS ausgetreten. Weitere kündigten diesen Schritt schon an. Dabei kam heraus, daß auch Jörn Fischera, Vorsitzender des Kieler RCDS und Spitzenkandidat bei den StuPa-Wahlen '98, bis Ende Januar Mitglied der Gilde war und erst nach den Reaktionen auf die Veranstaltung aus der Gilde "aus taktischen Gründen", wie eine ehemalige RCDSlerIn meint, ausgetreten ist.


RCDS-Kader Jörn Fischera

Inhaltlich konnte dies nicht überraschen: Fischera ist seit Jahren mit stumpfen rechten Parolen in Erscheinung getreten. Sein Steinzeit-Antikommunismus paart sich mit einem nationalen Denken, das von seiner "Jungen Freiheit"-Lektüre nicht unbeeinflußt ist. Als notorischer Lügner erklärt er alles, was ihm nicht paßt, zum Linksextremismus. So bezichtigte er den jetzigen AStA, der von biederen AnpasserInnen und StreberInnen aus Fachschaftsliste und vor allem Jusos gestellt wird, "sozialistische Folklore" zu betreiben. Auf die Vorwürfe einer StuPa-Resolution, daß der RCDS dazu beigetragen habe, die Ideologie der extremen Rechten an der Universität zu etablieren, antwortete er in einem Flugblatt mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat von Camus: "Wenn mir die Wahrheit tatsächlich rechts erschiene, wäre ich rechts." Bei dem ihm eigentümlichen Verständnis von Wahrheit, hätte er auch einfach schreiben können, daß er der Anführer einer gottverdammten Bande von FaschistInnen sei. Der Unterschied wäre marginal gewesen.

Derweil sorgen sich die anderen Hochschulgruppen um die Zukunft des Konservatismus: In der Zeitung der Fachschaftsliste (FaLi), "Die Ente", erschien ein Artikel, der erklärte, daß wir jetzt ganz friedlich gegen den Faschismus sein müssen, um zu verhindern, daß sich die Rechten als Opfer aufspielen könnten. So sei schon das Blockieren von Türen Gewalt. Daß dabei einem Antifaschismus das Wort geredet wird, der Gandhi oder Martin Luther King zu Gewalttätern erklärt, scheint diesem Antifaschismus noch nicht aufgegangen zu sein.

Die Hochschulgruppe von Bündnis 90/Die Grünen hofft dementsprechend, daß "sich eine (neue) christdemokratische Hochschulgruppe gründen" wird, "die sich die christdemokratischen Grundsätze auf die Fahnen schreibt", so als wenn es nicht eben gerade jene Konservativen gewesen wären, die den Rechten jahrelang das Feld bestellt haben. Konsequent ist es daher nur, daß der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen die CDU dazu auffordert, "sich endlich von ihrer Hochschulgruppe (zu) distanzieren".

Sie scheinen aber die Bedeutung eines mittlerweile umgesetzten Vorschlages von Kohl nicht mitgekriegt zu haben. Jener sorgte nämlich dafür, daß "Forza Italia" in die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgenommen wurde, obwohl dies bedeutete, daß der italienische Ministerpräsident Romano Prodi vorerst nichts mehr mit der EVP zu tun haben will.

Der Kieler RCDS hat so etwas quasi avantgardistisch schon längst umgesetzt. Alle Rechten, die sich formal vom Nationalsozialismus distanzieren, dürfen bei ihm mitmachen und machen nicht trotz, sondern wegen ihrer rechten Gesinnung sogar Karriere. Ein Beispiel ist Fedor M. Mrozek, der 1995 mit der Dokumentation des "Aufrufes gegen das Vergessen" den offenen Rechtskurs des RCDS einleitete. Mrozek ist nicht nur Landesvorsitzender des RCDS, sondern mittlerweile auch für die CDU in den Ortsbeirat von Kiel-Gaarden gewählt worden, wo er die sozialdemokratischen Abgeordneten mit Äußerungen zur Geschichte HDWs überraschte, daß es keinen automatischen Zusammenhang zwischen der Germania-Werft und dem Nationalsozialismus gebe.


RCDS-Kader Fedor M. Mrozek

So konnte auch das Ergebnis der StuPa-Wahlen nicht so recht überraschen: Zwar hat der RCDS erstmals seit Jahren wieder Stimmen verloren, konnte sich jedoch mit 16,15% gegenüber 19,63% im Vorjahr auf deutlich hohem Niveau halten. Die Stimmenverluste dürften v.a. in Richtung Fachschaftsliste Jura gegangen sein, die mit 7,58% gegenüber dem Vorjahr fast 2% und einen zweiten Sitz hinzugewann. Überraschend war lediglich das hohe Wahlergebnis der erstmals angetretenen WG 2000, die mit 9,56% und 2 Sitzen in das neue StuPa einzog. Diese Gruppe trat zur Wahl mit dem Slogan "Transparenz, Kompetenz und Spaß im Studium" an. Werbung machten sie mit Absurditäten wie "Für das allgemeinpolitische Mandat, insofern es die Studierenden betrifft" und ähnlichen Nullnummern.

Soweit Aktivisten bisher praktische Politik machten, glänzten sie mit Sparvorschlägen, die sich v.a. gegen emanzipatorische Projekte wandten (FrauenLesben-Veranstaltungen, fzs-Beitritt und Aleviten-Kulturveranstaltung). Es scheint so, als wenn sich die Stimmen der nicht mehr zur Wahl angetretenen Kieler Uni Linken (KUL, letztes Jahr 6,20%) auf die FaLi und die Grünen verteilt hätten, während die FaLi in hohem Maße ihre Stimmen an WG 2000 verloren hat.

In diesem Fall müßte der Wahlausgang als Stabilisierung einer nach rechts tendierenden Hegemonie der anti-emanzipatorischen Mitte gewertet werden (Jusos, WG 2000, Die Unabhängigen und die Fachschaftsliste Jura als Ganzes, die anderen außer dem RCDS teilweise), der auf der rechten Seite ein starker und organisierter Block der harten Rechten (RCDS) gegenübersteht, während die Linke (wozu Bündnis 90/Die Grünen, FaLi und Graue Panther/PÄLIKAN eben nur punktuell zu zählen sind) hingegen marginal verbleibt.

(Jens Hülsen)

Ergebnisse der Wahlen zum StuPa 1998

 Liste  1997  1998
 FaLi  23,74 (5)  19,62 (4)
 B 90/Grüne  16,70 (4)  18,43 (4)
 RCDS  19,63 (4)  16,15 (3)
 Pälikan/Graue Panther  10,80 (2)  11,10 (2)
 Jusos  9,73 (2)  9,84 (2)
 WG 2000  ­  9,56 (2)
 Die Unabhängigen  7,39 (2)  7,71 (2)
 Fachschaftsliste Jura  5,81 (1)  7,58 (2)
 KUL  6,20 (1)  ­
(Angaben in % ­ in Klammern Sitze) Für den RCDS ziehen ins StuPa ein: Jörn Fischera (185 St., Listenplatz 1), Birte Höhne (165 St., Listenplatz 3), Anna-Christina Wermter (164 St., Listenplatz 8).