Antimilitarismus

GelöbniX ­ mit oder ohne Grüne?

Am 29.6. trafen sich in der Hansastr. 48 erstmals VertreterInnen verschiedener Kieler linker Organisationen und Einzelpersonen zu einem Vorbereitungstreffen für Aktionen gegen das Öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 18.8. auf dem Rathausplatz. Dem Treffen vorausgegangen waren schon Planungen einzelner Organisationen. So hatten die Kieler Friedensinitiativen bereits am 16.6. im Haus Michael beraten. Ferner hatten Mitglieder von KAGON (Kleine Autonome Gruppe ohne Namen) und andere Autonome und Unorganisierte zu dem Treffen in der Hansastraße eingeladen und auch schon einen Aufruf gegen das Gelöbnis entworfen (vgl. Abdruck in der letzten LinX). Überdies hat sich der ZAA (landesweiter Zusammenarbeitsausschuß der Friedensinitiativen in S.-H.) bereits auf die Veranstaltung einer Podiumsdiskussion "in zeitlicher Nähe zur Gelöbnisfeier" (angepeilt ist der 15.8.) geeinigt.


Schwur fürs Vaterland ­ Gelöbnisfeier in der Reichshauptstadt (Propagandafoto der Bundeswehr)

Die Kieler DFG-VK-Gruppe hat bereits während der Kieler Woche gegen das Gelöbnis mobilisiert. Bei einem täglichen Info-Stand im Schloßgarten wurde ein Transparent gegen das Gelöbnis aufgestellt. Dies zog, wie bei dem Treffen berichtet wurde, direkte Reaktionen der Stadt nach sich. Ordnungskräfte ("Sheriffs") hatten die DFG-VK am Mittwoch der Kieler Woche aufgefordert, das Transparent abzuhängen. Andernfalls werde die Standgenehmigung entzogen. Auf Nachfrage gab das Presseamt der Landeshauptstadt an, daß es sich nicht um eine Zwangsmaßnahme handeln sollte, sondern lediglich eine Bitte. Das Transparent solle abgehängt werden, weil auf einer Veranstaltung der Stadt Kiel (Kieler Woche) nicht gegen die Stadt Kiel agitiert werden solle. Wie weitere Nachfragen ergaben, hatten sich Bundeswehrvertreter bei der Stadt über das Transparent beschwert, wohl auch weil unter dem Schriftzug "Kein Gelöbnis auf dem Kieler Rathausplatz!" noch "Bundeswehr abschaffen!" zu lesen war. Am Donnerstag intervenierte OB Norbert Gansel, zeigte sich dabei aber von falschen Tatsachen ausgehend. Er hatte angenommen, daß "auf der Kiellinie ein riesiges Transparent" gegen das Gelöbnis errichtet worden sei, und zeigte sich beruhigt, als er das wirkliche Transparent dann in Augenschein nahm. Es durfte hängen bleiben ­ wie der OB verkündete, auf sein Eingreifen hin.

Bei dem Vorbereitungstreffen zeigte sich zunächst Einigkeit der Anwesenden in bezug auf die Bewertung des Gelöbnisses. Wie schon im Aufruf wurde festgestellt, daß das Gelöbnis als Werbeveranstaltung für die "neue" Bundeswehr im Rahmen ihrer neuen Rolle gemäß der Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 (weltweite Einsätze zur Sicherung deutscher Interessen) zu sehen ist. Überdies sei es aber nur ein Mosaikstein der Militarisierung der Gesellschaft und der Wiederherstellung deutscher Großmachtambitionen. Man einigte sich darauf, schon im Vorfeld des Gelöbnisses auf die Verknüpfung des Gelöbnisses mit deutscher Großmachtpolitik hinzuweisen. In Kiel könne es nicht nur um die Ablehnung des Gelöbnisses gehen, vielmehr müsse argumentativ hingewiesen werden auch auf die Benennung des Hafenbeckens an der Hörn als "Germania-Hafen Gaarden", die geplante Stationierung von Einsatzgruppenversorgern (marine logistische Unterstützung der schnellen Eingreiftruppen) in Kiel und die Beteiligung der MaK an der Produktion gepanzerter Einsatzfahrzeuge (ebenfalls für die schnellen Eingreiftruppen). Überdies müsse die Mobilisierung gegen das Gelöbnis mit einer "eindeutigen Stellungnahme gegen die Intervention der Bundeswehr im Kosovo-Konflikt" verbunden werden.

Gerade an dem letzten Punkt schienen sich dann aber plötzlich die Geister zu scheiden. Von autonomer Seite gab es harsche Kritik an den Grünen. Man sehe sich nicht in der Lage, "mit einer Organisation, die eine Politik der Kriegstreiberei propagiere" (die Grünen hatten im Bundestag ihre Unterstützung für einen Kosovoeinsatz zugesagt, ferner auch die Debatte um die anti-militaristischen Äußerungen Trittins), gemeinsam zu agieren. Hubert Wegemund als Vertreter der Kieler Grünen mochte sich auf direkte Nachfrage nicht direkt äußern, ob die Grünen jene "eindeutige Stellungnahme gegen den Kosovoeinsatz" teilen. Sichtlich ins Schlingern geratend redete er um den heißen Brei herum. Für Irritationen hatte überdies gesorgt, daß die Grünen offenbar bereits ein eigenes "Friedensfest" auf dem Asmus-Bremer-Platz zeitgleich zum Gelöbnis angemeldet hatten und mit einem bereits verteilten Flugblatt sogar schon dafür warben. Andererseits teilten sie mit, sie seien auf Unterstützung von anderen Gruppen angewiesen, weil ihr Personal die Organisation nicht alleine bewerkstelligen könne. Ein solches "Friedensfest" wollte das Plenum aber nur unterstützen, wenn sich die Grünen eindeutig gegen den Kosovoeinsatz bekennen und als Veranstalter nicht die Grünen allein, sondern das Bündnis GelöbniX auftrete. Auch dazu konnte oder wollte sich Hubert Wegemund nicht eindeutig äußern. Die Grünen würden vielmehr Wert auf Aktionen gegen das Gelöbnis legen, weil es das einzige in S.-H. sei. Dabei solle aber die Argumentation im Vordergrund stehen, warum man gegen das Gelöbnis sei. Wegemund verstrickte sich erneut in einen argumentativen Eiertanz, bei dem er die Erwähnung der Punkte Kosovo und Abschaffung der Bundeswehr sorgsam vermied.

Bezüglich des Ortes einer Kundgebung gegen das Gelöbnis wurde vorgeschlagen, eine Kundgebung auf dem Martensdamm anzumelden, weil von dort aus eine "Beschallung" des Rathausplatzes wirkungsvoller als vom Asmus-Bremer-Platz oder dem Hiroshima-Park aus durchzuführen sei. Ferner wurde immer wieder geäußert, daß das Gelöbnis auch "massiv gestört" werden solle. Es sei wohl nicht möglich, daß Gelöbnis ganz zu verhindern. Dennoch könne man eventuell einen taktischen Erfolg erzielen, wenn es gelinge, das Gelöbnis so zu stören, daß es durch die dann notwendige weiträumige Absperrung seitens der Ordnungskräfte quasi nicht mehr öffentlich stattfinden könne.

Bezüglich weiterer möglicher Bündnispartner und des Erfolges einer Mobilisierung gegen das Gelöbnis wurde geäußert, daß linke Gruppen an den Bundeswehr-Standorten, von denen aus die Rekruten nach Kiel befördert werden sollen (Neumünster, Flensburg) bereits reges Interesse an den Kieler Planungen gezeigt hätten. Andererseits seien in der Bevölkerung etwa 90% pro Bundeswehr eingestellt. Jedoch gebe es auch genügend Beispiele von Städten, die Rühes Ansinnen, öffentliche Gelöbnisse durchzuführen, bereits im Vorfeld abgelehnt hätten. Auf eine Mobilisierung von Kriegsdienstverweigerern sei nicht zu hoffen, da diese weitgehend entpolitisiert seien und v.a. aus privaten Gründen den Kriegsdienst verweigerten.

Für die konkrete Arbeit wurden Arbeitsgruppen eingerichtet. In der konkreten Planung ist neben Flugblättern eine GelöbniX-Zeitung, in der die beteiligten Gruppen und Organisationen das Gelöbnis argumentativ aus verschiedenen Blickwinkeln angreifen sollen, dies insbesondere vor dem oben beschriebenen Hintergrund, daß das Gelöbnis "nur" eine Propagandaerscheinung einer Militarisierung der Gesellschaft und der Vorbereitung einer neuen Großmachtpolitik ist. Die Zeitung soll v.a. die Aufgabe erfüllen, schon im Vorfeld des Gelöbnisses deutlich zu machen, daß dessen Veranstaltung nicht widerspruchslos hingenommen wird. Weiterhin nachgedacht wird über öffentlichkeitswirksame Aktionen, etwa nach dem Vorbild des Schafsgelöbnisses in Berlin ("Zur Sättigung des deutschen Volkes geloben wir, tapfer ins Gras zu beißen."). Ferner sollen Plakate und "Spuckis" geklebt werden. Weiter wurde angeregt, den Widerstand mit Leserbriefen an die "Kieler Nachrichten" und auch briefen an den OB öffentlich zu machen

Das Bündnis GelöbniX wird sich weiterhin regelmäßig treffen. Anlaufstelle und Informationsknotenpunkt ist das Koordinierungsbüro im Infoladen "Beau Rivage", das jeden Donnerstag von 17-19 Uhr besetzt ist ­ Tel.: 563717.

(jm)