Kommentar

"OB" wie "Ober-Banause"

Norbert Gansel kann's nicht lassen. Wiedereinmal hat er das politische Sommerloch zu einsamen Entscheidungen genutzt. Opfer des OB-Sparwahns diesmal: die Stadtgalerie. Schon in der letzten Ratsversammlung vor der Sommerpause hatte der OB mit dem Gedanken sympathisiert, die Pläne für das Neue Rathaus trotz eindeutiger Entscheidungslage im Rat neu zu formulieren (LinX berichtete). Kurz gefaßt: Das Bürgeramt soll im alten Rathaus bleiben, dafür sollen Stadtbücherei und Stadtgalerie in den Gebäudekomplex an der Andreas-Gayk-Straße umziehen. Erhoffte Ersparnis: zweistellige Millionenbeträge an Mietkosten. Aus Gansels lautem Nachdenken ist nun eine Vorlage für die Ratsversammlung am 20.8. geworden. Einwände der Oppositionsfraktionen, daß hier im Eilverfahren etwas durchgedrückt werden solle, wies Gansel in seiner gewohnt arroganten Art zurück. Eine "öffentliche Diskussion" habe "bereits stattgefunden".

Wie hahnebüchen Gansels Vorschlag ist, darauf hatte bereits in der letzten Ratsversammlung die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff hingewiesen. An eine Stadtgalerie werden nämlich als Ausstellungsort für empfindliche Kunstprodukte hinsichtlich der Klimatisierung Anforderungen gestellt, die erhebliche Umaukosten im Neuen Rathaus nach sich zögen. Das bestätigte auch Stadtgalerieleiter Knut Nievers. Den "Kieler Nachrichten" sagte er, daß publikumswirksame Ausstellungen mit wertvollen Leihgaben in einer nicht klimatisierten Stadtgalerie nicht mehr zu bewerkstelligen wären. Und hier beißt sich die Sparschlange in den Schwanz. Gegen die Stadtgalerie im Sophienhof führt Gansel den schlechten, Publikum nicht gerade anlockenden Zugang ins Feld, um den Preis, daß man dann im Neuen Rathaus den Laden gleich ganz dicht machen könnte, weil keine Publikum anziehenden Ausstellungen von Format mehr möglich wären.

Auch die angeblich zweistelligen Millioneneinsparungen mußte Gansel relativieren. Fachleuten, die nachgerechnet hatten, daß das irgendwie nicht stimmen kann, hielt er entgegen, daß solche Einsparungen natürlich über einen "längeren Zeitraum" gerechnet seien. So kann man die Statistiken auch fälschen. Aus einer kleinen Einsparung wird auf einen riesigen Zeitraum gerechnet eine ganz große.

Die Oppositionsfraktionen im Rat haben bereits durchblicken lassen, daß sie Gansels Alleingang zumindest vertagen werden. Ob das die Stadtgalerie langfristig retten wird, ist zweifelhaft. Denn Oberbanause Gansel kann gleich auf zwei Seiten punkten: Erstens ist das Sophienhof-Management schon lange scharf auf die Räumlichkeiten der Stadtgalerie, denn mit dort angesiedeltem Kommerz lassen sich weit höhere Gewinne erzielen. Zweitens weiß der Populist Gansel sehr gut, wie man gegen Kunst als Angebot "lediglich für Minderheiten" Front macht. Auch der Kieler Michel wird folgen, wenn Gansel gegen vermeintlich nur Spezialisten ansprechende "Kunst-Experimente" polemisiert. Eins ist dabei gewiß: Kiel wird ohne eine Stadtgalerie, die nicht Gansels ärmlichen Kunst"geschmack" befriedigt, sondern auch überregional von sich Reden macht, noch provinzieller als die Stadt und ihr kleingeistiger OB es ohnehin schon sind.

(jm)