Aus dem Kieler Rat

Neues Rathaus:

Unrundes Paket

Die politische Sommerpause ist zuende. So steht auch OB Norbert Gansels "Sommer-Ei", das Kulturviertel ins Neue Rathaus zu verlegen, auf dem Programm. Wie berichtet, hat der OB seine ganz eigenen, bestehenden Ratsbeschlüssen zuwider laufenden Pläne. Nicht nur, daß das Bürgeramt im alten Rathaus verbleiben soll (LinX berichtete), auch die Stadtgalerie soll ihr bisheriges Domizil im "Konkav" des Sophienhofes aufgeben. Der OB erhofft sich davon Mietersparnisse "in zweistelliger Millionenhöhe". Gegen diese Pläne hat es heftigen Widerstand aus der Kieler Kulturszene gegeben. Hauptargumente: Im neuen Rathaus genügt die Deckenhöhe nicht für anspruchsvolle Ausstellungen zeitgenössischer Kunst (v.a. Installationen). Ferner wäre ein Einbau einer kostenträchtigen Klimaanlage vonnöten, um Ausstellungen mit internationalen Leihgaben durchführen zu können.

Zur Ratsversammlung am 20.8. legte der OB nun ein detailliertes Konzept vor, das jedoch auf Beschluß des Ältestenrates zunächst im Hauptausschuß beraten werden soll. Im Hinblick auf die gegen Gansels Pläne vorgebrachten Einwände ist seine Vorlage insofern interessant, als sie für die Stadtgalerie mehrere Optionen "andenkt" - auch die Schließung.

Die SPD-Fraktion hat die Pläne in vorauseilendem Gehorsam bereits gutgeheißen und bezeichnet Gansels Vorschläge in einer Pressemitteilung als "ein rundes Paket". Es sei dem OB gelungen, so Fraktionsvorsitzender Jürgen Fenske, "ein überzeugendes inhaltliches und finanzielles Konzept zur Nutzung der beiden Rathäuser" vorzulegen, das "städtische Ämter sinnvoll kombiniert und im Vergleich zur ursprünglichen Planung die Stadtkasse kräftig schont." Der sich kulturbeflissen gebende Fenske sagte weiter: "Als jahrelanges Mitglied des Fördervereins Stadtgalerie kann ich mit dem Umzug der Stadtgalerie in das Neue Rathaus gut leben." Dieser sei auch die Chance für einen Neuanfang, welcher der Galerie neue Besuchergruppen erschließen könne. Die Stadtgalerie veranstalte seit Jahren Ausstellungen auf einem beachtlichen künstlerischen Niveau, die auch von der Fachwelt weit über Kiel hinaus beachtet würden. Damit korrespondiere jedoch leider nicht das Kieler Publikumsinteresse. Ob dieses "nicht korrespondierende" Interesse an der Lage der Stadtgalerie im Kulturviertel liegt, ist indes strittig. Ein Argument dafür war bisher - auch aus KünstlerInnenkreisen -, daß der Zugang zum Kulturviertel recht unattraktiv ist. Jedoch hatte das Management des Sophienhofes, sozusagen im Austausch für den Ehmsen-Platz, bereits zugesagt, eine Rolltreppe von der Kaufmeile ins Kulturviertel zu finanzieren. Dieses Angebot hatte die Stadt aber nicht weiter verfolgt.

Die Aufgabe des jetzigen Kulturviertels wäre auch ein architektonischer GAU, denn die preisgekrönte Architektur des "Kulturrunds" würde durch eine Nutzung als Verkaufsfläche völlig entstellt. Soetwas falle niemandem leicht, dem die Stadtgalerie am Herzen liege, sagte Fenske. Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation der Stadt gelte jedoch die Erkenntnis: Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Daß jener Spatz eher eine lahme Ente ist, will Fenske entgegen den Expertisen von Fachleuten nicht einsehen: "Ich bin zuversichtlich, daß in den neuen Räumen auch die bisherige Ausstellungsqualität zu gewährleisten ist." Genau das hatte u.a. Stadtgalerieleiter Knut Nievers gegenüber den "Kieler Nachrichten" bestritten. Insofern wirken Fenskes Worte, Kiel als "moderne und weltoffene Stadt" brauche die Stadtgalerie, als reiner Hohn, zumal wenn der OB offen darüber nachdenkt, die Stadtgalerie ganz zu schließen. Und das könnte der eigentliche Sinn der Verlegungsaktion sein. Vielleicht auch deshalb ist von den Verantwortlichen im Kulturviertel kaum etwas zur Debatte zu hören. Mit Recht mögen sie fürchten, die Stadtgalerie ganz und gar zu verlieren. Da ist dann der schweigende Spatz vielleicht doch die bessere Alternative zur wütend krähenden Taube?

(jm)