Aus dem Kieler Rat

König Gansels Stellenpoker

OB Gansel will sich bei Personalentscheidungen nicht reinreden lassen

"Ich hoffe, daß ich meinen Zorn bändigen kann." Mit diesen Worten eröffnete OB Norbert Gansel eine Debatte, die schon in der August-Sitzung der Ratsversammlung für Zündstoff gesorgt hatte (LinX berichtete). Die Leitungen von Bauordnungsamt und Grünflächenamt sollen neu besetzt werden. Der OB möchte dabei sowohl auf eine externe wie auch eine interne Stellenausschreibung verzichten. Für ihn steht längst fest, wer "geeignet und persönlich integer" ist, sprich, wer die Stellen bekommt. Eine Ausschreibung verzögere nur, koste Geld und sei letztendlich "eine Heuchelei", wenn ohnehin schon feststehe, wie die Stellen besetzt würden. Überdies liege laut Kommunalverfassung die alleinige Personalhoheit beim OB. Zwar lasse die Kommunalverfassung im Prinzip auch eine Entscheidung durch den Hauptausschuß oder die Ratsversammlung zu, jedoch bedürfe es dazu einer entsprechenden Satzung, die sich die Kieler Ratsversammlung aber so nicht gegeben habe. Bewußt - denn eine der Voraussetzungen für die Kandidatur Gansels sei eben diese alleinige Entscheidungsgewalt gewesen.

Comic: Volker Sponholz

Gegen Gansels Vorgehen hatte die Frauenbeauftragte Annegret Bergmann Bedenken angemeldet. Laut Frauenförderplan müsse gerade bei der Besetzung höherer Stellen in jedem Falle eine Ausschreibung stattfinden, um Frauen eine Bewerbungsmöglichkeit zu geben. Hier steht eine Rechtsinterpretation gegen die andere. So hatte man die Kommunalaufsicht anrufen wollen, um den Fall zu prüfen. Kann die alleinige Entscheidungsgewalt des OB in Personaldingen sich auch über einen rechtskräftigen Frauenförderplan hinwegsetzen? Bevor dies nicht geklärt sei, so Anträge von Grünen und CDU, solle der OB auf eine Stellenbesetzung verzichten. Überdies fordern beide Anträge den OB auf, "Führungspositionen ausschließlich im Einklang mit dem Fraunförderplan" zu besetzen. Der Antrag der Grünen mit den Änderungen der CDU wurde gegen die Stimmen der SPD, die wegen drei fehlender Fraktionsmitglieder bei dieser Ratsversammlung keine Mehrheit hatte, beschlossen.

Vorher hatte sich jedoch der OB echauffiert. "Wir hätten die Stellenbesetzung längst erledigt, wenn nicht die Frauenbeauftragte interveniert hätte", giftete er Richtung Annegret Bergmann. Die verteidigte sich, gerade eine solche Intervention sei ihre Aufgabe. Gansels Interpretation: "Der Frauenförderplan gibt Richtlinien, die auch Ausnahmen zulassen. Und das sind hier Ausnahmen." Bergmann sieht das genau umgekehrt. Der OB habe Recht, wenn es um die Umbesetzung von MitarbeiterInnen auf gleichwertige Stellen gehe. In diesem Fall würden jedoch Mitarbeiter quasi befördert. Dabei eine Ausnahme vom Frauenförderplan zu machen, könne nur der Rat beschließen.

Die Machtprobe zwischen dem OB mit Alleinherrschaftsanspruch und dem Parlament schlug in der Folge hohe Wellen. "Sie können beschließen, was Sie wollen", bellte König Gansel, "Ich verfahre wie ich will." "19. Jahrhundert!" scholl es darauf nicht zu unrecht aus der Ratsversammlung. Wolfgang Kottek (SUK): "Ich schäme mich für Sie, Herr Oberbürgermeister! Was Sie hier machen, spottet jeder Beschreibung." Gansel: "Ich will es nicht haben, daß Amtsleiterstellen weiter nach Parteibuch besetzt werden." Arne Wulff (CDU): "Eben weil der OB die alleinige Personalhoheit beansprucht, ist es eine Unverschämtheit, uns hier parteipolitisches Kalkül vorzuwerfen." Das Kalkül liegt in der Tat eher beim OB. Auf seine Forderung, ein Amtsleiter müsse "persönlich integer" sein, antwortete Edina Dickhoff (Grüne) süffisant: "Mir ist nicht bekannt, daß besondere Loyalität zum OB ein Auswahlkriterium für Stellenbesetzungen ist."

Doch Gansels absolutistische Allüren haben noch einen ganz anderen Hintergrund. En passant will er mit den Neubesetzungen Planstellen wegsparen und die Verwaltung weiter verschlanken - um dann mit der Klage über die Überlastung der Mitarbeiter lästige Prüfaufträge auch gleich abwehren zu können. Durch die "Umbesetzung" würden kurzfristig 700.000 DM gespart, langfristig noch einmal 400.000. Grund: Die Stellen, auf denen seine Eleven jetzt sitzen, werden eingespart. So will Gansel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Verschlanken, aber dennoch liebgewonnene, weil kadavergehorsame Mitarbeiter in Amt und Würden bringen. Genau die Taktik, die er an den "Parteikungeleien" kritisiert.

Inzwischen hat Gansel allerdings, wie schon von ihm angekündigt, vollendete Tatsachen geschaffen. Anfang Oktober stellte bestellte er drei neue Amtsleiter, Günter Horstmann (Grünflächenamt), Gerhard Porten (Bauordnungsamt) und Eckhart Borns (Rechtsamt). Die drei sind bereits seit Jahren Mitarbeiter der Stadt und leiteten die ihnen nun offiziell unterstellten Ämter z.T. schon seit über einem Jahr kommissarisch.

(jm)