Aus dem Kieler Rat

Zum Sterben zu viel ...

Städtische Zuwendung für die soziokulturellen Zentren doch nicht auf Null?

Der Sparauftrag von OB Gansel an das Kulturamt war klar: 500.000, knapp 50% des Gesamtetats. Vorschlag aus dem Amt: Die soziokulturellen Zentren Hansastr. 48, Hof Akkerboom und Kulturladen Leuchtturm auf Nulldiät setzen (LinX kommentierte). Der Widerstand aus den Zentren formierte sich, wenn auch nur spärlich. Vom Hof Akkerboom war gar nichts zu hören, Hansastraße und Kulturladen wiesen mit Flugis auf ihr drohendes Aus hin. Zur Kulturausschußsitzung am 27.10. hatte man sich eine Aktion überlegt, das Hissen einer Protestfahne an einem der Masten, an denen die Kieler Bühnen auf dem Rathausplatz werben. Lediglich widrige Wetterbedingungen vereitelten die Aktion im Freien, dafür wurde das Banner in der Rotunde des Rathauses aufgezogen.

Foto: jm

Gleich zu Beginn der Sitzung, nahm Norbert Gansel den ProtestiererInnen den Wind aus den Segeln: "Ich beabsichtige nicht, die Zuschüsse für die soziokulturellen Zentren 1999 auf Null zu reduzieren", tröstete der OB. "Aber alle Bereiche müssen sich an schmerzhaften Einsparungen beteiligen." So wird Kämmerer Gansel in seinem Haushaltsentwurf die Zuschüsse "nur" um 10% kürzen. Die Ratsversammlung entscheidet über den Entwurf der Verwaltung in der Dezembersitzung.

So können die soziokulturellen Zentren aufatmen - vorübergehend. Judith Selck, Programmacherin der Hansastraße, brachte es in der Kulturausschußsitzung auf den Punkt: "Mit seinem Sparappell ist Norbert Gansel bei uns an der falschen Adresse. Niemand macht in Kiel für so wenig Geld so viel kulturellen Breitensport wie die soziokulturellen Zentren." Auch eine "bloß" 10%ige Kürzung wird die Zentren an den Rand des Ruins bringen - oder darüber hinaus, denn schon jetzt reicht das Geld von der Stadt nicht. Nur durch Selbstausbeutung der z.T. ehrenamtlichen HelferInnen und "Soli-Gagen" der auftretenden KünstlerInnen ist das bisherige breite Kulturangebot der Zentren möglich. Judith Selck: "Auch Ehrenamtliche können nicht mehr als arbeiten."

Auch nach Gansels Trostpflasterauftritt wurden die Sparvorschläge des Kulturamts heftig kritisiert. Hella Gripp vom Kulturladen Leuchtturm monierte, daß die Kürzungen einfach verhängt würden, ohne daß mit den Betroffenen diskutiert werde. Lothar Bock, Geschäftsführer der Pumpe, verlangte von der Verwaltung eine Gleichbehandlung aller soziokulturellen Zentren. Auf einen zwar gedeckelten, aber vertraglich festgeschriebenen Mindestzuschuß wie für die Pumpe hätten auch die anderen soziokulturellen Zentren einen Anspruch, um ihre Arbeit nicht im Vorfeld alljährlicher Haushaltsberatungen durch willkürliche Kürzungsorgien erneut zu gefährden und Planungssicherheit zu gewährleisten.

Kulturamtsleiter Knut Pfeiffer-Paehr zeigte sich im Ausschuß überrascht von Gansels Schwenk. Das Kulturamt habe "andere Direktiven" erhalten. Den rigiden Kürzungsvorschlag seines Amtes verteidigte er. Man habe endlich eine "Diskussion über die Kultur in Kiel" anregen wollen. "Wenn man mit dem Rasenmäher über alle Bereiche geht, sind alle unzufrieden. Wir wollten Zeichen setzen." Daß das Kulturamt mit seinem Kaputtsparvorschlag lediglich zeigen wollte, "was wäre, wenn ...", mochte aber niemandem so recht einleuchten. Pfeiffer-Paehr, von der Rolle des Prügelknaben für seinen Chef Gansel sichtlich genervt, ließ durchblicken, daß die Sparvorschläge sein eigenes Amt weitgehend verschont hatten, denn es sei seinen Mitarbeitern "wohl kaum zuzumuten, sich selber wegzurationalisieren".

Der Haushaltsentwurf des Kulturamts weißt, wie die Sitzung zeigte, ferner allerlei Ungereimtheiten auf. So erhält etwa die Ehmsen-Stiftung 25.000 DM Zuschuß, obwohl sie im letzten Jahr nur rund 6.000 DM verbrauchte. Das Kulturviertel erwartet einnahmeseitig die Luftbuchung von 100 DM, was im Ausschuß niemand nachvollziehen konnte. Und die Erstattung seitens des Arbeitsamtes für im Kulturamt tätige ABM-Kräfte hat man beim Haushaltsansatz schlicht "ganz vergessen". Grüne und SPD-Mitglieder im Ausschuß kritisierten überdies die vollständige Streichung der Künstlerhilfe und der 13.500 DM für FrauenLesben-Kulturveranstaltungen. Letzterer Sparvorschlag hat in Kiel mittlerweile Tradition.

(jm)