Aus dem Kieler Rat

Tod auf Raten

Rat beschließt Verlegung der Stadtgalerie

"Ist es eine Tragödie, eine Komödie oder ein Streich aus dem Schildaer Rathaus?", fragte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske zu Beginn der Debatte um das Neue Rathaus in der Ratsversammlung vom 29.10. Seit Monaten schwelt der Streit um das "Schnäppchen" im ehemaligen Postgebäude an der Andreas-Gayk-Straße. Das hatte die Stadt für 52 Mio. DM erworben, um dort v.a. ein neues Bürgerservicezentrum einzurichten. OB Norbert Gansel jedoch hatte im Sommerloch andere Pläne geschmiedet. Das Bürgeramt soll im alten Rathaus verbleiben, dafür sollen Kulturviertel und Stadtgalerie aus dem Sophienhof in das Neue Rathaus umziehen. Grund für das Umwerfen längst beschlossener Planungen: Sparen!

Ob aber der Umzug der Stadtgalerie wirklich Einsparungen bringt oder ob der dafür notwendige Umbau Millionen verschlingt und damit die Einsparungen für die Miete im Sophienhof bei weitem übertrifft, das ist nach wie vor strittig. Der Architekt des Kulturviertels, Prof. Hoffmann, errechnete für den Verbleib der Stadtgalerie am alten Standort weitaus geringere Kosten als beim Umzug, Gansel und seine Mehrheitsbeschaffer im Rat dagegen sprechen von mindestens 800.000 DM Einsparungen. Daß die SPD bei der Rechtfertigung von Gansels "rundem Paket" eine Ratssitzung vorher auch schon "mehrere Millionen" Einsparungen ausmachte, zeigt, auf welch' tönernen Füßen ihre Berechnungen stehen. Da werden z.B. Kosten für eine gar nicht beschlossene Rolltreppe vom Konsumtempel Sophienhof ins Kulturviertel beim Modell "Verbleib am alten Standort" einfach mitgerechnet, um dessen Kosten künstlich hochzutreiben, während man über den Einbau einer Klimaanlage in die neuen Räumlichkeiten lediglich räsonniert, schon ohne aufwendige Klimatisierung habe das Postgebäude den klimatischen Standard der Kunsthalle. Dabei haben Fachleute immer wieder darauf hingewiesen, daß Ausstellungen mit Leihgaben aus renommierten Museen ohne Klimatisierung nicht mehr möglich sein werden, daß also die Stadtgalerie ihren jetzigen Standard nicht wird halten können.

Darüber aber sieht die SPD geflissentlich hinweg. Wider alle Expertisen betete Jürgen Fenske die üblichen Lippenbekenntnisse nach, daß ihm und der SPD die Stadtgalerie "am Herzen liege", daß es nicht um die Schließung der Stadtgalerie, sondern "lediglich um eine Standortfrage" gehe. Und die Berechnungen von Fachleuten wie Prof. Hoffmann seien natürlich "fehlerhaft" und "für eine seriöse Debatte nicht geeignet". Stattdessen freute sich Fenske scheinheilig und bigott über "den großen Zuspruch, den die Stadtgalerie in den Diskussionen der letzten Wochen erhalten hat".

Noch im September hatte die SPD für den Umzug der Stadtgalerie ein "detailiertes Konzept mit allen Kosten" gefordert. Ein solches meinte sie nun mit ihrem Antrag vorgelegt zu haben. Die geforderte Detailiertheit beschränkte sich dabei jedoch auf anderthalb Seiten mit einer vagen Spiegelstrich-Aufzählung ohne eine einzige Kostenzahl, sichtlich laienhaft noch während der Sitzung zusammengeschustert und als Tischvorlage eingereicht.

Als "zutiefst dubios" bezeichnete die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff dieses "Konzept". Als Kulturschaffende in Kiel würde sie sich "schlicht verarscht vorkommen". Die Diskussion um die Verlegung der Stadtgalerie lenke davon ab, daß Gansels Plan, das Bürgeramt im alten Rathaus zu belassen, sich über eine bestehende Beschlußlage der Ratsversammlung hinwegsetze. Dadurch träten diverse Fragen auf, die die SPD und Gansel nicht beantworteten. Z.B. habe die Stadt vom Land für die Förderung der Kundenfreundlichkeit mit dem Bürgeramt im Neuen Rathaus Mittel erhalten, die nun ja wohl zurückgezahlt werden müßten. Im übrigen werde eine Scheindiskussion um die städnig steigenden Kosten für das Neue Rathaus vom Zaun gebrochen, die nicht daher rühre, daß die Ratsversammlung sich Umzugsplänen in den Weg stelle, sondern daher, daß die Verwaltung nicht in der Lage sei, längst Beschlossenes umzusetzen.

Auch für Wolfgang Kottek, Fraktionsvorsitzender der SUK, war der Antrag der SPD aufgrund fehlender Kostenberechnungen "unseriös". Der Hauptgrund, das neue Rathaus zu erwerben, sei die Einrichtung eines neuen Bürgeramts gewesen, jetzt versuche man, die neuen Räumlichkeiten "irgendwie vollzubekommen". Die SUK sei anfangs für eine Verlegung der Stadtgalerie gewesen, habe sich aber durch die Zahlen u.a. von Hoffmann "eines Besseren belehren lassen".

Die CDU-Fraktion beschränkte sich weitgehend auf die Kritik des Nicht-Umzugs des Bürgeramts und konnte somit verschleiern, daß sie zur Stadtgalerie keine eindeutige Meinung hat. Wenn der Fraktionsvorsitzende Arne Wulff sagte, "der Grundsatz der CDU ist das Wohl der Allgemeinheit, nicht das von Minderheiten", so durfte man daraus lesen, daß die CDU nicht zu den eifrigsten Befürwortern der Stadtgalerie zählte.

Bevor der kulturpolitisch komplett inkompetente Antrag der SPD-Fraktion mit ihrer Mehrheit - auch der Stimme ihrer kulturpolitischen Sprecherin Ute Kohrs-Heimann, die sonst als Bollwerk gegen Kaputtsparen in Sachen Kultur gelten kann - gegen die übrigen Fraktionen beschlossen wurde, ergriff noch einmal der Urheber des Schildbürgerstreichs, Norbert Gansel, das Wort. Auf Edina Dickhoffs Frage, ob denn überhaupt geklärt sei, wie man aus dem bis 2008 laufenden Mietvertrag für die Stadtgalerie und das Kulturviertel im Sophienhof herauskomme, antwortete er jovial, "natürlich gibt es dafür eine Möglichkeit, die durch den heutigen Beschluß befördert wird". Hinter den Kulissen hatte Gansel ohnehin längst vollendete Tatsachen geschaffen. Nun "weiche das Alte dem Neuen", das sei "der natürliche Wachstumsprozeß einer Stadt". Für die Stadtgalerie wird dieses "Wachstum" mittelfristig den Tod bedeuten, eine kulturlose Rate, mit der der OB, der das Kaputtsparen als sein Lebenswerk für die Stadt ansieht, in der Abgeschiedenheit seiner selbstherrlichen Beschlüsse bereits rechnet.

(jm)