Anti-AKW

AKW Krümmel:

Streit um Plutoniumfunde

Die Untersuchung der Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake, nach der sich in der Umgebung des AKW Krümmel Anreicherungen von Plutonium-Zerfallsprodukten aus dem Reaktor finden (LinX berichtete), ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Was nicht sein darf, kann nicht sein, so scheinen einige Kollegen Schmitz-Feuerhakes zu argumentieren. Insbesondere Gerald Kirchner, Leiter der Strahlenmeßstelle der Uni Bremen, warf der Physikerin vor, Meßwerte von Vergleichsproben wissentlich unterschlagen zu haben. Dieser Kritik stimmte die Bremer Universitätsleitung zu. Schmitz-Feuerhake habe ihre Messungen "nicht mit anderen Fachkollegen abgestimmt", ihre Ergebnisse seien "wissenschaftlich nicht nachvollziehbar". MitarbeiterInnen der Physikerin wiesen diese Vorwürfe zurück und sprachen von einer Vorverurteilung. An der Tatsache erhöhter Konzentration von Americium, einem Zerfallsprodukt des Plutoniums, scheint indes niemand zu zweifeln. Jedoch erklären andere Wissenschaftler die radioaktive Belastung mit Langzeitspuren oberirdischer Atomtests in den 60er Jahren. Gerald Kirchner sagte dem "Spiegel", das gefundene Isotopengemisch deute "wie ein Fingerabdruck" auf die Tests als Ursache.

Leukämie-Reaktor Krümmel

Gut in den Kram paßt die Demontage Schmitz-Feuerhakes der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Ein Sprecher des Energieministeriums bestätigte am vorletzten Wochenende einen Bericht des "Focus", wonach das AKW Krümmel nicht die Ursache für die Plutoniumbelastung sei. Die von den Landesregierungen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens berufene Leukämiekommission hatte eine Studie veranlaßt, die ein Ergebnis Schmitz-Feuerhakes aus dem Jahre 1992 überprüfen sollte. Damals hatte die Physikerin in Baumproben aus der Elbmarsch, wo eine bis heute ungeklärte Häufung von Leukämie bei Kindern aufgetreten war, erhöhte Konzentrationen von Tritium (radioaktives Wasserstoffisotop) und Kohlenstoff-14 gefunden. Die von der Leukämiekommission jetzt in Auftrag gegebene Kontrollstudie verglich die Konzentrationen in Baumproben aus Celle und der Umgebung des AKW Würgassen mit denen aus der Elbmarsch. Ergebnis: "Keine signifikanten Abweichungen", insofern könne "die Strahlentheorie abgehakt" werden, so Kommissionsmitglied Dietrich Harder. Auf die Signifikanz dieses Ergebnisses wiederum wurde allerdings ebensowenig eingegangen wie auf die Tatsache, daß es sich um die Überprüfung ganz anderer Ergebnisse Schmitz-Feuerhakes handelte, die mit den Plutoniumfunden nur mittelbar in Beziehung stehen. Die jüngste Baumstudie könnte nun immerhin auch so gedeutet werden, daß das AKW Würgassen ähnlich strahlt wie Krümmel und/oder daß die Tritium-Emissionen des letzteren bis Celle reichen. Die Ursache für die Plutoniumfunde wurde dadurch jedenfalls nicht geklärt, es sei denn man glaubt der Atomtest-These.

Die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, die die ursprüngliche Studie Schmitz-Feuerhakes in Auftrag gegeben hatte, beharrte hingegen darauf, daß signifikante Tritium-Konzentrationen nur in Bäumen aus der Elbmarsch gefunden worden seien. Die Leukämiekommission hätte sich jedoch bei ihrer Sitzung vom 25.11. dafür ausgesprochen, auf eine Abklärung dieses Befundes wegen des hohen Aufwandes zu verzichten. Aufklärungsbedarf besteht dennoch weiter, zumal wenn Schmitz-Feuerhakes Thesen wie schon einst ihre Untersuchungen zur überdurchschnittlichen Leukämiehäufigkeit in der Elbmarsch derart hahnebüchen abgekanzelt werden. Auf einen die Sache klärenden Doppel-Blindproben-Versuch, wie in der Wissenschaft bei solchen Streitigkeiten üblich, wollen sich die Krümmel-Beschützer in den beiden rosa-grünen Landesregierung jedoch nicht einlassen.

Auch Energieminister Claus Möller stimmte lieber in das Unisono des Unwissenschaftlichkeitsvorwurfs an Schmitz-Feuerhake ein. Statt auf Sachargumente bezog sich Möller in seiner Kritik auf die Veröffentlichungspraxis der Physikerin, die "nicht gerade den Eindruck höchster wissenschaftlicher Seriösität" mache. Die Americiumfunde würden auch "keinen erheblichen Zweifel an der Emissionsüberwachung des Kraftwerks begründen", so Möller, müßten aber aufgeklärt werden.

Nur von wem? In der Leukämiekommission scheint man weiterer Untersuchungen müde. Der Kommissionsvorsitzende Prof. Erich Wichmann forderte am 10.12. gegen den Widerspruch des niedersächsischen Sozialministeriums die Auflösung der Kommission: "Trotz intensiver Forschung haben wir nichts feststellen können, was die Sache erklärt", sagte Wichmann dem ARD-Magazin "Panorama" und schob einen (un-) wissenschaftlichen Offenbarungseid gleich hinterher. In der Kommission sei die Bereitschaft, wissenschaftlichen Argumenten zu folgen, nicht mehr vorhanden. Daß Möller und Konsorten in Kenntnis dieser Tatsache eher der Behauptung, die "Strahlentheorie sei abgehakt", glauben als Schmitz-Feuerhakes Ergebnissen, zeugt von ähnlicher Unzugänglichkeit für wissenschaftliche Ergebnisse im Energieministerium. Entgegen den Ausstiegsplänen der rosa-grünen Koalitionen in Kiel und Bonn wird man den Leukämie- und Pannenreaktor, der gegenwärtig zur Revision abgeschaltet ist, vermutlich Anfang 1999 wiederanfahren und weiterstrahlen lassen.

(jm)