Bürgeranfrage:

Ein-Euro-Jobs in Kiel

Das Kieler Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub protestiert seit Jahresbeginn gegen die Umsetzung des Hartz IV-Verarmungsgesetzes und gegen die Schaffung von Ein-Euro-Jobs. Die Arbeitsgelegenheiten sind angeblich geschaffen worden, um dadurch Arbeitslose in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Dem Bündnis war klar, dass es in Wirklichkeit um Lohndrückerei und Zwangsarbeit bei der Durchsetzung der Arbeitsmarktreform geht. In der  LinX 21/05
dokumentierten wir die Ergebnisse und Zahlen aus dem Sozialpolitischen „Hearing“ im Rathaus. Dort war von bisher 1.054 Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) in 2005 berichtet worden, davon konnten der unten stehenden Anfrage zur Folge gerade einmal 50 in reguläre Arbeitsverhältnisse wechseln. Das viele reguläre Arbeitsverhältnisse durch die unten aufgeführten, angeblich zusätzlichen Tätigkeiten für Ein-Euro vernichtet oder z.B. bei der Stadt Kiel nicht eingerichtet wurden, lässt sich nur vermuten. Das Bündnis, die Gewerkschaften und die Betriebs- und Personalräte sollten dies überprüfen. Ein-Euro-Jobs dürfen nicht länger geduldet werden. Es ist notwendig, alle Arbeitsgelegenheiten in reguläre Arbeitsverhältnisse umzuwandeln, mit Löhnen, die zum Leben reichen. Die Kosten für die Arbeitsgelegenheiten sind beträchtlich (ca. 1.500 Euro im Monat pro Maßnahme, wir berichteten ebenfalls in der LinX 21/05). Dafür könnte z.B. auch eine reguläre Beschäftigung geschaffen werden. Die Stadt kann dafür auch gerne auf ein bis zwei Prestigeobjekte verzichten. Die Ergebnisse der unten abgedruckten Bürgeranfrage sollten auf dem nächsten Treffen des Bündnisses gegen Sozialabbau und Lohnraub am 5. Dezember diskutiert werden, wie auch über weitergehende Forderungen und Aktionen. (uws)

Bürgeranfrage zu 1-Euro-Jobs im Bereich der Verwaltung der Landeshauptstadt Kiel auf der Ratsversammlung am 17. November 2005

Stadtrat Kurbjuhn (Dezernent für Bürgerangelegenheiten, Inneres und Ordnung) beantwortete die Anfrage von Ulrich Selle wie folgt:

Frage 1: In welchen Tätigkeitsbereichen sind 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten (AGH) bei der Stadt Kiel, den ihr zugehörigen Ämtern, Betrieben, Beteiligungsgesellschaften oder anderen Trägern/Unternehmen beschäftigt?

Antwort: Ämter und Betriebe der Landeshauptstadt Kiel:

Verschiedene zusätzliche Tätigkeiten im Bereich von Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Schulen (z.B. Verschönerungsarbeiten)
• Unterhaltungsarbeiten für Haus und Hof im Bereich der Feuerwehr
• Bekämpfung des Riesen-Bärenklaus
• Pflege von Außenanlagen
• Schönheitsreparaturen im Olympiazentrum Schilksee
• Verschönerungspflege von Kriegsgräbern und öffentlichem Grün, Wechselbepflanzung
• Reinigung der Strände Falkenstein und Schilksee
Beteiligungsgesellschaften:
• Pflege von Außenanlagen (Grundstücksverwaltung)
• Hilfe beim Ein- und Ausstieg am Hauptbahnhof (KVG)
Andere Träger/Unternehmen:
• Projekt „Tu heute was“: Aufarbeitung und Verkauf von Sachspenden (Kleidung, Computer, Spielzeug und Fahrräder) im projekteigenen Kaufhaus „Obulus“
• Möbelbörse: Aufarbeitung und Verkauf von Möbeln an SGB II-Leistungsempfängerinnen /Leistungsempfänger
• Verschiedene soziale Einrichtungen wie z. B. Evangelische Stadtmission, Hempels, Caritasverband, Kreisarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden, Frauenhaus, christlicher Verein junger Menschen, Verein für Kinder, Jugend und soziale Hilfen, AWO: zusätzliche Betreuung von älteren Menschen oder wohnungslosen Menschen
• Fahrradparkplatz am ZOB
• Vorbereitung der Ehrenamtsmesse in Schleswig-Holstein
• Freilichtmuseum Schleswig-Holstein: Knöterichentfernung
• Dokumentationsprojekt: Dokumentation der bisher eingerichteten AGH
• Projekt „Strandgut“ und „zusätzliche Hilfen im Wasserrettungsdienst“ bei der DLRG: Vergabe von Liegen und Sonnenschirmen, zusätzliche Kinderbetreuung am Strand
• Kulturdolmetscherbüro: Erarbeitung von Informationsschriften Migrantinnen/Migranten mit russischem Hintergrund zum deutschen Arbeitsalltag, dem Schulwesen und dem kulturellen Leben in Deutschland in deutscher und russischer Sprache
• Projekt „1000 Jobs für 1000 Jugendliche“: Coaching für Jugendliche mit dem Ziel des Durchhaltens im Job und der sozialen Integration
• Weitere „kleinere“ AGH: Vorbereitung des Monodramafestivals beim Verein Maecenas e. V., Zeitzeugenprojekt beim Verein Mahnmal Kilian e. V.: Durchführung von Befragungen, Öffentlichkeitsarbeit etc.

Frage 2: Wie werden Zulässigkeit und Zusätzlichkeit der 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten in Kiel geprüft?

Antwort: Grundsätzlich werden alle Anträge auf Einrichtung von Arbeitsgelegenheiten (AGH) im ersten Schritt auf die Zusätzlichkeit und das Öffentliche Interesse geprüft. Als zusätzlich zu bewerten ist eine AGH nur dann, wenn sie nicht die orginären Aufgaben des Trägers oder der Einsatzstelle zum Ziel hat und wenn durch sie eine Arbeit erledigt wird, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt im Rahmen normal entlohnter Arbeitsverhältnisse verrichtet werden würde. Im Rahmen der Zusätzlichkeit wird auch die rechtliche Verpflichtung der geplanten Aufgaben geprüft. Besteht eine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung, so liegt das Kriterium Zusätzlichkeit nicht vor. Öffentliches Interesse liegt vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit dem allgemeinen Wohl und nicht nur im Interesse einzelner oder unmittelbar privaten erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient, sondern den Interessen der Öffentlichkeit gerecht werden.

Frage 3: Wie viele 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten Beschäftigte wurden im Anschluss an die Maßnahme in ein voll sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis überführt?

Antwort: Nach derzeitigem Kenntnisstand sind etwa 50 Personen aus den laufenden AGH in sozialversicherungspflichtige Arbeit im 1. Arbeitsmarkt vermittelt worden; bei der LH Kiel jedoch aufgrund des bestehenden Einstellungsstopps keiner.