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Kommentar

Meinungsfreiheit?

Es ist schon skuril, was sich dieser Tage abspielt. Ein paar Karrikaturen, abgedruckt in einer rechtsbürgerlichen bis reaktionären Zeitung in einem ziemlich kleinen skandinavischen Land, werden zum internationalen Politikum und zum Zentrum eines Kulturkampfes zwischen „Morgenland“ und „Abendland“ stilisiert. Dort brennen Botschaftsgebäude und Fahnen, hier verrührenen unverantwortliche Medienschaffende, anstatt aufzuklären, den Karrikaturenstreit mit der Auseinander setzung um Irans Atomprogramm zu einem gefährlichen, trüben Brei, werfen eine Nebelgranate nach der anderen, in deren Schutz die Vorbereitungen für einen neuen Krieg in Nahost laufen. Dessen Folgen wären nach menschlichem Ermessen noch katastrophaler, als die seines Vorgängers, der Zehntausenden irakischen Zivilisten das Leben kostete und der ein einst blühendes Land, die Wiege unserer Zivilisation, um Jahrzehnte zurückwarf.

Doch um was geht es eigentlich in diesem Streit? Um Meinungsfreiheit? Um Religion? Dass der hiesige Blätterwald von konservativ bis liberal laut nach der Pressefreiheit ruft, ist ein schlechter Witz. Keiner dieser Herren und wenigen Damen rührt sich, wenn bei linken Journalisten des Nachts mit gezogener Waffe uniformierte Rambos die Türen eintreten. Keiner hat sich um die illegalen Aktivitäten der Bochumer Staatsanwaltschaft gegen Labournet.de gekümmert. Und keiner von ihnen wagt es, ähnlich verunglimpfende Pamphlete gegen den Papst oder Jesus Christus zu veröffentlichen. Gegen derlei käme hierzulande der Blasphemieparagraf des Strafgesetzbuches zum Einsatz, und nur die wenigsten würden sich daran stören. Nein, der dänischen „Jyllands Posten“ ging es schlicht um Hetze gegen die muslimische Minderheit. Hätten sich ähnliche Karrikaturen gegen die jüdische Religion gerichtet, dann hätte zumindest ein Teil der bürgerlichen Öffentlichkeit laut aufgeschrien, und zwar zu recht.

Hierzulande müssen sich Muslime von solch einer Kampagne bedroht und ausgegrenzt fühlen. Eine andere Geschichte ist es freilich, dass in Nahost alle möglichen politischen Kräfte auf dem Streit ihr Süppchen kochen. Derlei eignet sich immer gut – hier wie dort –, die Menschen vom Elend dieser Welt und seinen Ursachen abzulenken. Sich allerdings darüber aus dem hiesigen Fernsehsessel zu mokieren, ist billig. Die Reaktionäre beider Seiten werfen einander die Bälle zu. Es nimmt uns also keiner die Aufgabe ab, den unseren auf die Finger zu klopfen.

(wop)