Nächste Seite

Abfall und Müllverbrennung gemeinsam privatisieren?

Das Geschäft mit dem Müll

Der Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel (ABK) mit ihren 360 Mitarbeitern soll nach dem Willen aller Ratsfraktionen demnächst mit der bereits zu 49% privatisierten Müllverbrennungsanlage Kiel (MVK) (ca. 60 Mitarbeiter) zusammengeführt werden. Unter dem Dach einer „Anstalt öffentlichen Rechts“ (AöR)  sollen die ABK als GmbH mit Müllverbrennung, Abfallentsorgung und Straßenreinigung dem privaten Markt zu 49 % geöffnet werden. Die Beschäftigten erhalten beim Übergang nach § 613a lediglich 1 Jahr Bestandsschutz.

Der ABK hat durch die Vermarktung von Altpapier und die Kompostierung von Biomüll aus Kiel und Kreis RD-Eckernförde, Entsorgung, Straßenreinigung und Winterdienst einen Jahresumsatz von 37 Mio. Euro. Trotzdem hatten sie 2005 noch ein Defizit von 2,5 Mio. gehabt, weshalb jetzt „Freiwillige Leistungen“ wie Grünschnitt auf den Prüfstand kommen sollen, wie der ehemaliger Geschäftsführer Enno Petras der MVK sagt, der als neuer Werksleiter die Zusammenführung übernehmen soll.

Die Müllverbrennungsanlage in Kiel ist im Aufwind und die Stadt will demnächst mit Zustimmung aller Ratsfraktionen darüber entscheiden die Anlage bis 2008 mit einem dritten Verbrennnungskessel für 75 Mio. Euro auszurüsten. Der Finanzmarkt sei gerade günstig und auch wenn die Stadt am riesigen Defizit leidet, könnten laut Huckriede (CDU) gleich nach der Inbetriebnahme Gewinne erwirtschaftet werden.

Das war nicht immer so. In den 90iger Jahren wurde die MVA für rund 130 Mio. Euro umgebaut. Damals gegen den Willen das grünen Ratsfraktion. 1992 hieß es in einer Presseerklärung der Grünen: „Nicht privatisieren, sondern stillegen! ... Wenn ein privater Betreiber sich einkauft, will er vor allem sein Kapital verzinst sehen; das würde auf längere Sicht erheblich teurer als eine städt. Investition ... All das bezahlen die BürgerInnen ... Die MVA muss endlich stillgelegt werden und die Hunderte Millionen in eine vernünftiges Vermeidungs- und Verwertungskonzept gesteckt werden.“, so Willi Voigt in einer Presseerklärung vom 2.3.92. Es gab auch erhebliche Proteste von Anwohnern und Toxikologen. Die beiden neuen Kessel der MVA wurden trotzdem gebaut und 1998 ein 49%iger Anteil an den REW Energiekonzern verkauft. Die Mülltrennung in Papier, Plastik, Bio und Restmüll wurde eingeführt und es führte in der Folge tatsächlich dazu, dass in Kiel immer weniger Restmüll zu Verbrennung vorhanden war.

Weil zu wenig Müll vorhanden war musste mit Heizöl zugefeuert werden, um die nötige Temperatur für eine Verbrennung nach der  Bundesimmissions- schutzverordnung zu gewährleisten. Das Verursachte zusätzlich Kosten, so dass im Jahre 2000 ein Kessel abgeschaltet wurde und der Restmüll zunächst auf eine Deponie der ABK zwischengelagert wurde, was wieder Kosten von jährlich 2,7 Mio. brachte, die sich beide Betriebe nach Streitschlichtung teilen mussten. Wir schrieben in der Linx 14/2002 „Tatsächlich hat es beim Abfallwirtschaftsbetrieb Kostensenkungen gegeben, die jedoch, so Pasternak in einer Presseerklärung, nicht an die Gebührenzahler weitergegeben würden, sondern die zu geringe Auslastung der MVA abfedern sollen. Hans-Werner Tovar von der SPD-Fraktion verteidigte trotzdem die Entscheidung zum Ausbau der beiden Verbrennungskessel, denn nach seiner Überzeugung werde es ab 2005 mehr als genug Siedlungsabfall geben, um die Anlage vollständig auszulasten.“

Tovar muss etwas gewusst haben, denn mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Die MVA kaufte zunehmend aus anderen Kreisen und Städten Müll zur Verbrennung. 100.000 Tonnen Hausmüll aus Kiel, Schleswig und Flensburg wurden im letzten Jahr verbrannt (davon 35.000 Tonnen Gewerbemüll). Zwar musste die MVK 2004 bei einem Umsatz von 21,87 Mio. Euro noch 12 Mio. für Zinsen und Tilgung zahlen, aber ab Juni 2005 gibt es eine Verordnung vom Bund, die Technische Anleitung Siedlungsabfall (Tasi), nach der nur noch Müll abgelagert werden darf, wenn er maximal 5% brennbare Stoffe enthält. Die Folge war ein starkes Anwachsen des Gewerbemülls. Der Gewerbemüll wurde das lukrative Geschäft. Im Mai 2005 kostete die Verbrennung pro Tonne noch 40 bis 60 Euro. Jetzt liegen die Preise angeblich bereits zwischen 110 und 160 Euro. Im ganzen Bundesgebiet gibt es Entsorgungsnotstände. 70.000 Tonnen lagern bereits in den drei genehmigten Lagern in Neumünster, Lübeck und Damsdorf. Angeblich führt die MVK sogar Gespräche mit Betreibern in Hamburg und Dänemark. In diesem Jahr verbrennt die MVK bereits 136.000 Tonnen. Wenn demnächst die Verbrennung von Klärschlamm zugelassen ist, sollen weitere 100.000 Tonnen hinzukommen. Und deshalb brauche man den dritten Kessel !

Das MVK sei so begehrt auf dem Markt, weil Kiel mit „niedrigsten Emissionen, hochwertiger Energienutzung und vollständiger Verwertung der Verbrennungsrückstände“ ausgestattet sei.

Am 21. April 2005 stimmte der Rat der Stadt dem Weiterverkauf der Anteile des RWE-Konzerns an den „Branchenriesen“ REMONDIS zu. Für wie viel die Anteile über den Tisch gegangen sind, ist leider nicht bekannt, aber wenn die Stadt Kiel dann die dritte Ausbaustufe finanziert, erwartet der private Partner satte Gewinne von 61 Mio. Reingewinn nur für den neuen Kessel. Die Partner in der Politik, wie z.B. Alexander Möller  (SPD), sehen die Folgen für Mensch und Umwelt gelassen. Die ökologische Belastung werde zwar steigen, aber bei allem sei man deutlich unter den Grenzwerten. Auch die Grünen haben sich der neoliberalen Vernunft angepasst: Man müsse die Erweiterung „unter besonders kritischer Beachtung aller Umweltaspekte neu bewerten“, soll Rainer Pasternak gesagt haben. Probleme mit dem Anliefererverkehr hat die CDU schon gar nicht, weil Wagen ja heutzutage viel schadstoffärmer seien und sie „hoffen“, die Gebührenzahler würden langfristig entlastet werden. Somit werden alle Fraktionen in der Ratsversammlung der weiteren Privatisierung von ABK und MVK und der Wirtschaftssozialhilfe von 75 Mio. Euro für die dritte Brennstufe in der Klimastadt Kiel zustimmen.

Die typischen Auswirkungen der Privatisierung machen sich schon bemerkbar. Der ehemalige Stadtdezernent Torsten Albig ließ sich bei seinem Abschied aus Kiel noch einmal von seinen Mitarbeitern des ABK als Held feiern. Aber vorher erhöhte der die Preise des Restmülls für die Kleinverbraucher von 13,20 Euro/Jahr für die kleine Restmülltonne auf tatsächlich 37,80 Euro, während Großabnehmer mit 1100-Liter-Behälter nur noch die Hälfte zahlen brauchen. Er begründete dies mit den höheren Personalkosten für die kleinen Tonnen und gestiegener Müllgebühren wegen sinkender Erlöse und explodierender Spritpreise. Vermutlich war es nur ein Trick um die Kosten durch die Rechtsformänderung (GmbH oder AöR) weiterzugeben, denn da fallen in Zukunft für alle noch mal 16% Mehrwertsteuer an. Oder kommen die noch drauf? Grundeigentümer und Hausverwalter werden wohl Klagen. Aber bezahlen müssen letztendlich die Mieter.Die Auswirkungen der  Rechts- formänderung auf die Beschäftigten des ABK stehen noch aus. In anderen Gemeinden hat es schon Arbeitshetze, Lohnkürzungen und Entlassungen zur Folge.

 (uws)