Nächste Seite

Die „Rentenreformen“ bleiben umstritten

Die Rentendiskussion bleibt eine unendliche Geschichte. Franz Müntefering (SPD) hat sein Konzept der „Rente mit 67“ gerade im Kabinett durchgesetzt, da wird schon zu Nachbesserungen aufgerufen. Einige PolitikerInnen der SPD, die sich im Vorwahlkampf befinden, hatten Sonderregelungen für einzelne Berufsgruppen und Schicht-arbeiter gefordert. Müntefering lehnt die Sonderbehandlung einzelner Berufsgruppen jedoch ab. „Man kann keine speziellen Berufe besonders behandeln“, sagte Müntefering. Das müsse individuell geregelt werden: „Das haben wir in einem ganz wichtigen Bereich schon getan, nämlich alle, die 45 Jahre einzahlen, werden auch in Zukunft mit 65 voll ihre Rente ohne Abschlag bekommen.“ 64 Prozent der Bevölkerung halten es übrigens für nicht richtig, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben. Das ergab der jüngste „Deutschlandtrend“ der ARD. Angesichts der Diskussion um die „Rente mit 67“ fordert ver.di, Arbeitgeber, die ältere Beschäftigte entlassen, finanziell an den dadurch entstehenden Rentenabschlägen zu beteiligen. „Die Arbeitsmarktsituation für Ältere ist so schlecht, dass eine Anhebung der Lebensarbeitszeit prinzipiell verantwortungslos ist“, sagte Christian Zahn vom ver.di-Bundesvorstand. Die Rente mit 67 wird für Millionen KollegInnen auch dadurch Rentenabschläge nach sich ziehen, da in fast allen Manteltarifverträgen ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit Erreichen des 65 Lebensjahres festgeschrieben ist. „Ohne eine Neuregelung bedeutet dies, dass die betroffenen Arbeitnehmer Rentenabschläge in Kauf nehmen müssen, weil sie mit 65 vorzeitig in Rente gehen müssen“, sagte der Tarifexperte der Hans-Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck. So stehe in den Manteltarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie, des öffentlichen Dienstes, des Großhandels, der Banken oder der Druckindustrie eine solche Passage, die das Ausscheiden mit Erreichen des 65. Lebensjahrs festlege. Eine Ausnahme von dieser Regel ergibt sich nur aus dem Tarifvertrag der Chemieindustrie.

Wie wird die Rente eigentlich berechnet?

Die „klassische Rentenformel“ lautet Persönliche Entgeltpunkte (PEP) x Rentenartfaktor x Aktueller Rentenwert (ARW) gleich Monatsrente. Die persönlichen Entgeltpunkte werden ermittelt, indem das Bruttoarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers – maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung – durch den Durchschnittsverdienst aller Versicherten geteilt wird. Dieser Durchschnittsverdienst wird vom Gesetzgeber ermittelt. 2005 wurde er zunächst auf 29.569 Euro festgelegt. Die Beitragsbemessungsgrenze lag im Osten bei 52.800 Euro im Jahr, im Westen bei 62.400 Euro. Der so ermittelte Wert wird nun weiter verarbeitet. Bestimmte Zeiten, wie zum Beispiel die Kindererziehung, werden als Beitragszeit bei der Berechnung berücksichtigt. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren. Allerdings kann man auch früher oder später in Rente gehen. Dies berücksichtigt der so genannte Zugangsfaktor. Der Zugangsfaktor liegt bei 1,0, wenn man mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Rente geht. Geht man früher in Rente, fällt der Wert niedriger aus (monatlich 0,3 Prozent). Geht man später in den Ruhestand, fällt er höher aus. Die ermittelten Entgeltpunkte werden nun mit dem Zugangsfaktor multipliziert. Diese Zahl stellt die „persönlichen Entgeltpunkte“ dar. Über die gesetzliche Rentenversicherung werden zahlreiche Risiken abgedeckt. Neben dem Altersruhegeld wird beispielsweise Rente für Hinterbliebene bezahlt und auch eine Rente bei Erwerbsminderung gewährt. Das Altersruhegeld stellt hierbei „das Maß aller Dinge“ dar und hat den Wert 1,0. Die Werte für die übrigen Renten lauten wie folgt: Volle Erwerbsminderung (1,0); teilweise Erwerbsminderung (0,5); Hinterbliebenenrente (bis zu 0,6). Die persönlichen Entgeltpunkte werden nun mit dem Rentenfaktor multipliziert. Die so ermittelte Punktzahl stellt die Basis zur Berechnung der eigentlichen Rente dar. Sie wird jetzt mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert. Bei diesem Wert handelt es sich um den Betrag, den ein Versicherter nach einem Jahr Durchschnittsverdienst als monatliche Altersrente erhält. Derzeit beträgt dieser Wert im Westen 26,13 und im Osten 22,97 Euro. Der aktuelle Rentenwert wird nach einer äußerst komplizierten Formel berechnet, die im Paragrafen 68 im Sozialgesetzbuch VI (SGB) Absatz IV festgeschrieben ist.

Nachholfaktor koppelt RentnerInnen von der Konjunktur ab

Der Nachholfaktor ist Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD. Der Faktor soll dazu beitragen, den Anstieg der Renten zu bremsen und damit die Rentenkassen entlasten. Die Entwicklung der Renten ist an die Entwicklung der Löhne gekoppelt. 2005 haben die deutschen ArbeitnehmerInnen erstmals seit der „Wiedervereinigung“ weniger verdient als im Vorjahr. Der Nachholfaktor sieht vor, dass die Kürzung der Renten, die bei sinkenden Löhnen eigentlich hätte erfolgen müssen unterbleibt,  aber mit einer späteren Anhebung verrechnet wird. Vereinfacht gesagt wird den Rentnern in wirtschaftlich guten Zeiten also jener Betrag von der Rentenerhöhung abgezogen, der eigentlich in schlechten Zeiten hätte gekürzt werden müssen. Der Sozialverband VdK verlangt von der Bundesregierung den Verzicht auf den geplanten Nachholfaktor. Die dynamische Rente dürfe nicht beerdigt werden, sagte Verbandspräsident Walter Hirrlinger. „Er verwies darauf, dass es in den vergangenen Jahren durch höhere Pflegebeiträge und die Verlagerung des Krankengeldbeitrages auf die Rentner ohnehin de facto Rentenkürzungen gegeben habe. Dazu komme der Kaufkraftverlust durch die Nullrunden der vergangenen Jahre“. Die Hälfte der männlichen Rentner erhält eine Rente in Höhe von ca. 1.000 Euro. Bei den Frauen liegt die Rente bei ca. 650 Euro. 2004 erhielten Männer im Durchschnitt nur 751 Euro, Frauen sogar nur 633 Euro Erwerbsminderungsrente. Soviel zur Armut im Alter.

Der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr?

Die Renten wurden bisher von den berufstätigen, versicherungspflichtigen KollegInnen finanziert. Man spricht deshalb vom „Generationenvertrag“, weil die Jüngeren (zukünftig von 16 bis 66 Jahre) die Rente der Älteren finanzieren. Dieser Generationenvertrag funktioniert nur dann, wenn möglichst viele Beitragszahler für möglichst wenige RentnerInnen aufkommen müssen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist in den letzten Jahren leider erheblich zurückgegangen. Hauptproblem ist deshalb auch nicht der demografische Faktor, wie es die so genannten Rentenexperten behaupten, sondern die massive Massenarbeitslosigkeit! Nach Ansicht des CDU-“Sozialexperten“ Karl Laumann  werden die RentnerInnen nie mehr im Leben eine Rentenerhöhung erhalten. Die Rentnergeneration müsse „sich darauf einstellen, dass man keine Rentenerhöhung mehr in diesem Land“ erlebe, sagte Laumann.

Grundversorgung durch Steuern finanzieren?

Der heutige Kapitalismus ist gekennzeichnet durch Massenarbeitslosigkeit, Scheinselbstständigkeit und den Wegfall sozialversicherungspflichtiger  Beschäftigungs- verhältnisse in erheblichem Umfang (Minijobs). Die Anzahl der BeitragszahlerInnen wird weiter abnehmen. Eine Finanzierung der Renten im Sinne eines Entgelts für die Lebensarbeitsleistung allein aus Beiträgen wird unter den heutigen Bedingungen nicht mehr finanzierbar sein. Eine steuerfinanzierte bedarfsorientierte  Grund- versorgung für alle RentnerInnen, Nicht-Erwerbsfähigen und Arbeitslosen wäre eine Möglichkeit, zumindest die unterste Grenze einer menschenwürdigen  Lebens- führung im Kapitalismus sicherzustellen und andere Leistungen, wie z. B. Hartz IV, Wohngeld und Teile der Sozialhilfe, überflüssig zu machen.Ca. 80 Mrd. Euro werden inzwischen schon aus Steuern, für die Renten, aufgebracht. Wie eine Steuerfinanzierung aussehen könnte, sei Fachleuten überlassen. In Zeiten, in denen oftmals Maschinen die Arbeit von Menschen übernehmen, muss es aber erlaubt sein, auch über eine „Maschinensteuer“ nachzudenken. Hinzukommen könnte dann eine beitragsfinanzierte, paritätisch gezahlt von Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen, Zusatzversorgung (z.B. betriebliche Altersversicherung). Im Hinblick auf die katastrophale Finanzlage durch die massive Massenarbeitslosigkeit, der gesetzlichen Sozialsysteme, muss über Alternativen nachgedacht und diskutiert werden. Was denken Linke und welche Lösungsansätze gibt es?

(hg)

Nächste Seite