Winterschlussverkauf
Noch ist zwar nichts entschieden, aber im Rathaus wird derzeit übe den Verkauf oder Teilverkauf der restlichen Stadtwerkeanteile nachgedacht. Auf jährliche Einnahmen in etwa zwischen fünf und zehn Millionen Euro würde man damit verzichten, von den politischen Einflussmöglichkeiten einmal ganz abgesehen. Das Sagen hat man allerdings schon jetzt nicht mehr, denn 51 Prozent der städtischen Strom-, Gas-, und Wasserversorgung wurde bereits Ende der 90er an den US-Pleitier TXU verkauft; zwischenzeitlich sind diese Anteile an die Mannheimer MVV AG gewandert.
Einen hochverschuldeten Privatmann, der eine zuverlässige Einkommensquelle verkauft, um vorübergehend das weitere Anwachsen seines Schuldenberges zu verhindern, wird man wohl geschäftsuntüchtig nennen. Etwas anders sieht es allerdings aus, wenn er Mitglied einer der bürgerlichen Parteien ist und auf einen Posten im Rathaus sitzt. Dann scheinen derartige Überlegungen das normalste von der Welt, und der Kommunalpolitiker kann sich darauf verlassen, dass keiner in der örtlichen Monopolpresse seine Vorschläge als das bezeichnen wird, was sie sind: Hirnrissig.
Aber wahrscheinlich ist es irreführend, einfach nur Dummheit anzunehmen. Land auf, Land ab werden öffentliche Betriebe verkauft. Große Konzerne stehen bereit, sich die profitablen Anteile des öffentlichen Dienstes unter den Nagel zu reißen, während eine mediale Dauerberieselung uns die Privatisierung als höchsten Ausdruck des Fortschritts verkaufen will. Das erzeugt – gemeinsam mit dem realen Verschuldungsproblem – einen ideologischen Druck, den sich Politiker der großen Parteien kaum entziehen können.
Derweil steigen die Wasser- und Strompreise und E.on kann mit seinen Traumprofiten auf Einkaufstour in Spanien gehen. (29 Milliarden Euro bietet man für den spanischen Konzern Endesa.) Das erklärte Ziel: In einigen Jahren eines von drei Oligopolen zu sein, die den westeuropäischen Strom- und Gasmarkt beherrschen werden. Auch die MVV wird nämlich für die Stadtwerke mit einiger Wahrscheinlichkeit nur eine Zwischenstation sein. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. In zahlreichen Städten haben bereits Bürgerentscheide Privatisierungsvorhaben verhindert oder zumindest erheblich verzögert. Warum also nicht auch in Kiel? (wop)