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Illegitimer Gipfel an der Ostsee:

„Eine neue politische Kultur“

Wir sprachen am Rande der ersten Vorbereitungskonferenz für die Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm bei Rostock mit Christoph Kleine, der zu den Einladern gehörte. Christoph ist in der Interventionistischen Linken aktiv, die ein bundesweites Bündnis aus Gruppen, Einzelpersonen und Zeitungsprojekten ist, an dem auch die Kieler Avantis beteiligt sind. (wop)

LinX: Habt Ihr Euch schon bei Bild beschwert, die Euer Netzwerk aus ehemals autonomen Gruppen und anderen nur als „zum Teil radikal“ bezeichnet hatte?

Christoph Kleine (C.K.): Was die Etikettierung angeht, sind wir nicht besonders eitel, aber die Interventionistische Linke versteht sich als Teil der radikalen Linken. Wir sind ein Projekt, das neue Ansätze sucht, in gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu intervenieren. Das heißt wir öffnen uns und verstecken uns nicht in kleinen Zirkeln. Aber wir gehören zu jenen, die an der Überwindung des Kapitalismus arbeiten.

LinX: Du gehörst zu den Vorbereitern der Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Werden diese alljährlichen Proteste nicht langsam zum Ritual?

C.K.: Nun, der letzte G-8-Gipfel in Deutschland war 1999 in Köln, insofern ist es für uns kein alljährliches Ritual. Aber natürlich handelt es sich um symbolische Veranstaltungen. Der Gipfel ist ein Symbol der Macht, und unsere Proteste sind ein Symbol der Gegenmacht, ein Symbol unseres Strebens nach einer anderen Welt. Solche symbolischen Orte sind Verdichtungen. Es geht nicht nur um einige Tage des Protestes, sondern um die politische Bewegung vor und nach dem Gipfel. Schon die Vorbereitungen werden neue Konstellationen schaffen und Perspektiven öffnen.

LinX: Die G-8-Gipfel sind immer eine gute Gelegenheit, die katastrophalen Folgen der neoliberalen Globalisierung in einer breiteren Öffentlichkeit anzusprechen. Welches sind für Dich in diesem Zusammenhang die wichtigsten Themen?

C.K.: Auf dem Gipfel trifft sich die selbst ernannte Weltelite, die ihren Anspruch, die internationalen Verhältnisse zu regeln, allein aus ihrer  wirtschaftlichen und militärischen Macht ableitet. Das ist illegitim, und das wollen wir inhaltlich und mit Aktionen deutlich machen. Es geht um Fragen wie Krieg und Frieden, um soziale Gerechtigkeit, sowohl auf lokaler, nationaler, europäischer als auch globaler Ebene, um Fragen von Migration und Rassismus, das heißt, um den Kampf für Bewegungsfreiheit und ein Bleiberecht für alle, die hier leben. Das sind alles Facetten der kapitalistischen Globalisierung, die am Konferenztisch in Heiligendamm verhandelt wird. Alle Bewegungen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, werden mobilisieren, und daher wird es ein großes Zusammentreffen aller werden, die mit dem Zustand der Welt nicht einverstanden sind, die eine andere Welt erträumen und erkämpfen wollen.

LinX: Mindestens 100.000 Teilnehmer wurden auf der Vorbereitungskonferenz in Rostock halboffiziell für die Proteste anvisiert. Ist das nicht ein bisschen hochgegriffen?

C.K.: Ich denke nicht. Wir haben mehr als ein Jahr Zeit, und das Thema G8 spielt schon jetzt für viele sehr verschiedene politische Akteure eine große Rolle. Außerdem wird es eine internationale Mobilisierung geben, das heißt, es werden aus aller Welt Menschen kommen, um sich an den Protesten zu beteiligen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es deutlich mehr als 100 000 Menschen werden.

LinX: Auf der Vorbereitungskonferenz in Rostock haben ganz unterschiedliche Gruppen sehr konstruktiv miteinander gesprochen. Radikale Linke, Attacies, NGO-Vertreter und auch ein paar Gewerkschafter waren da. Wie kommt das? Für deutsche Verhältnisse ist soviel Kooperation ja eher ungewöhnlich.

C.K.: Ich glaube, dass sich eine neue politische Kultur der Kooperation entwickelt. Das Bedürfnis nach Zusammenarbeit, das heißt, das Verbindende in den Vordergrund zu stellen statt nach Abgrenzung zu suchen, findet sich im ganzen linken Spektrum. Deshalb bin ich auch so optimistisch, dass es einen wirklich massiven Protest geben wird.

LinX: Einige, wie die Gewerkschaftapparate und die eher etablierten NGOs, sind allerdings noch nicht an Bord.

C.K.: Wir haben in Rostock wenig konkrete Beschlüsse gefasst. Der Prozess ist also offen für andere, die sich anschließen wollen. Und ich denke, dass er eine derartige Dynamik entwikkeln wird, der sich der DGB und andere nicht entziehen können.

Infos:  www.g8-2007.de,

www.heiligendamm2007.de