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Die heiße Phase der Metall-Tarifrunde ist angelaufen

Die Konjunktur in Deutschland leidet immer mehr an der zu geringen Inlandsnach-frage. Nicht nur die die staatliche Nachfrage ist rückläufig sondern auch die private Nachfrage, die einen Anteil von 60 Prozent an der Inlandsnachfrage ausmacht. Das liegt vor allem an der schlechten Einkommenslage der ArbeitnehmerInnen, da die Kaufkraft (ausgedrückt in der inflationsbereinigten Lohn- und Gehaltssumme aller Beschäftigten) in Deutschland erheblich gesunken ist. Außerdem haben viele KollegInnen Angst um ihre berufliche Zukunft und halten sich beim Konsum entsprechend zurück. Die Gewinne der Metall-Unternehmen explodieren förmlich. Allein von 2003 bis 2006 werden sich die Gewinne der 40 größten börsennotierten Metallunternehmen mehr als verdoppeln. Das ergab die IG Metall-Analyse über die Ertragslage dieser Firmen. Im Geschäftsjahr 2003 konnten die Unternehmen einen Gesamtumsatz von gut 500 Milliarden Euro erzielen, im Jahr 2006 sollen es 568,5 Milliarden Euro sein – also gut 13 Prozent mehr. Größter Motor für die Zuwächse ist der Export. Die Inlandsumsätze hingegen lassen auf Grund der  innenwirt- schaftlichen Schwäche zu wünschen übrig. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie ist wettbe-werbsfähig: Die Lohnstückkosten (Lohn je produzierter Einheit) sind in den ver-gangenen Jahren deutlich gesunken. Grund: Die Stundenlöhne stiegen geringer als die Produktivität. Dadurch hat sich die Ertragslage der Unternehmen deutlich verbessert: Sie konnten zwar nur etwas höhere Preise durchsetzen - profitierten aber vom Rückgang der Lohnstückkosten.

Die IG Metall hat ihre Lohnforderungen nach der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität und den Verbraucherpreisen ausgerichtet. Inflation und Produktivität sollen jeweils um ca. zwei Prozent steigen. Daraus ergibt sich ein gesamtwirtschaftlich kostenneutraler Verteilungsspielraum von ca. vier Prozent. In der Metallindustrie liegt die Produktivität allerdings deutlich höher als in der gesamten Wirtschaft. Außerdem will die IG Metall eine Umverteilung von den Gewinnen zu den Löhnen. So ergibt sich die Forderung im Volumen von bis zu fünf Prozent.

Ein Lohnanstieg um ein Prozent bringt den Arbeitnehmern rd. 3,5 Mrd. Euro zusätzlich für den privaten Konsum, lässt die Wirtschaft um 0,16 Prozent wachsen – was rund 14.000 neuen Jobs entspricht – und spült mindestens 460 Millionen Euro allein in die Kasse der Arbeitslosenversicherung. Darauf wies der DGB Nord-Vorsitzende Peter Deutschland hin. Deutschland: „Ein ganzes Jahrzehnt hat man die Menschen in diesem Land hingehalten mit dem Argument, nur Lohnzurückhaltung in Kombination mit einer  maximalen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes würde Arbeitsplätze schaffen, das Ergebnis dieser Politik ist gleich Null. Das ist ein Argument mehr, es  einmal anders zu versuchen.“ Der IG Metall vorzuwerfen, ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung von 5 Prozent sei unrealistisch, bezeichnete Deutschland als verlogen. Er wies  darauf hin, dass die Einkommen in Deutschland zwischen 1995 und 2004 um 0,9 Prozent gesunken seien, während sie in der Europäischen Union um bis zu 25 Prozent (Schweden/England) gestiegen seien. Die Deutschen hätten 2005 mit einem durchschnittlichen Tarifabschluss von 1,6 Prozent nicht einmal den Preisanstieg ausgeglichen. Die seit zwei Jahrzehnten andauernde Umverteilung des Volkseinkommens zu Lasten der Arbeitnehmer und zugunsten der Unternehmer habe den Privatkonsum gebremst. Die Binnenkonjunktur benötige aber dringend Impulse, auch und gerade durch die aktuelle Tarifrunde.

Vom Kapitalistenverband Gesamtmetall kamen bisher keine Angebote. Im Gegenteil, Gesamtmetall-Präsident Kannegießer fordert sogar „eine echte Öffnungsklausel“, die es den Betrieben ohne Zustimmung der IG Metall ermöglicht, die Arbeitszeit zu verlängern. Damit wäre der Kapitalistenwillkür Tür und Tor geöffnet und der gemeinsame Kampf aller KollegInnen erheblich erschwert. Kannegießer fürchtet bereits einen langen Streik wie im öffentlichen Dienst. „Eine Hängepartei wie im öffentlichen Dienst kann sich unsere Industrie überhaupt nicht leisten“, warnte er. Die Metallindustrie sei „weltweit eingebunden“ und habe „Verpflichtungen gegenüber den Kunden in aller Welt“. In Baden-Württemberg soll zusätzlich durch die Streichung der Akkordpausen sowie der zusätzlichen „Verteilzeit“ die Arbeitszeit um 13,3 Prozent verlängert und damit tausende Jobs vernichtet werden.

„Die Signale der Arbeitgeber sind eindeutig. Es wird eine harte Auseinandersetzung”, sagte IG Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau auf der Tarifkonferenz im Kieler Gewerkschaftshaus. Die Berichte aus den Betrieben waren unmissver-ständlich: Es muss mehr Geld in die Taschen. Wenn die Arbeitgeber nicht einlenken, wird es zu Streiks kommen. In der letzten Woche fanden die ersten Warnstreiks statt an denen sich nach Angaben der IG Metall bundesweit mehr als 250.000 ArbeitnehmerInnen beteiligten. Nach Ablauf der Friedenspflicht haben die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in der letzten Woche  mit kurzfristigen Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen, Kundgebungen und unterschiedlichen Aktionen begonnen, ihrer Tarifforderung Nachdruck zu verleihen. An der Küste traten viele KollegInnen zeitweise in den Ausstand. In Papenburg legten 2.500 Metaller die Arbeit nieder. 800 Beschäftigten der Aker Warnow-Werft, des Baumaschinenherstellers Caterpillar und der Neptun-Werft trafen zu einer Kundgebung in Rostock zusammen. Bei Airbus in Nordenham demonstrierten 800 und bei der HDW in Kiel 1.000 Metaller. Bei Danfoss in Flensburg beteiligte sich die komplette Nachtschicht mit 150 Beschäftigten um Mitternacht an einem befristeten Ausstand vor dem Werkstor. In Glinde legten 40 Metaller der Firma Zahnradwerk Nord für eine Stunde die Arbeit nieder. Weitere Aktionen gab es bei den Firmen Sauer & Sohn in Eckernförde.  In Norderstedt versammelten sich insgesamt rund 850 Beschäftigte der Firma SAINT-GOBAIN Diamantwerkzeuge mit Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die dem Aufruf von ver.di gefolgt waren. Bei der Sitas Werft in Hamburg legten 1.100 Mitarbeiter, darunter auch Leiharbeiter, die Arbeit nieder.  - hg